Neue Flüchtlingskrise: Merkel soll es richten

In Krisenzeiten zeigt sich, wie die EU wirklich funktioniert. Das gilt auch jetzt, da die Türkei mit einem Bruch des Flüchtlingspakts droht. Plötzlich gibt es einen heißen Draht zwischen Athen und Berlin – aus Brüssel kommt nur heiße Luft.

„Wir erwarten, dass sich die Türkei weiter an den Deal hält“, sagte ein Sprecher der EUKommission. Bisher lägen keine offiziellen Erklärungen aus Ankara vor, die auf eine neue Flüchtlingspolitik schließen ließen.

Das klingt nicht nur nach Appeasement, es ist auch genau so gemeint. Denn die EU ist – fünf Jahre nach 2015 – immer noch nicht für eine neue Flüchtlingskrise gerüstet. Sie braucht die Türkei als Türsteher.

Doch angesichts der militärischen Eskalation um Idlib versucht Sultan Erdogan, die EU mit immer neuen Drohungen zu erpressen. Die Türkei werde ihre Grenzen für Flüchtlinge, „die nach Europa wollen“, nicht länger schließen, hieß es zuletzt.

Das richtet sich nicht nur Griechenland und Bulgarien, die an die Türkei angrenzen, sondern auch – und vor allem – an Deutschland, wohin die meisten Flüchtlinge weiterreisen. Kanzlerin Merkel ist (heraus-)gefordert.

Doch wie wird die Kanzlerin reagieren? Wird sie noch mehr Milliarden lockermachen, um Erdogan zu besänftigen? Wird sie im Syrienkrieg offen für die Türkei Partei ergreifen? Wir wissen es nicht. Denn Berlin schweigt.

Immerhin erreichen uns Meldungen aus Athen. Da hat die Regierung viele Polizisten und Grenzschutzbeamte sowie Soldaten an die Grenze beordert. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hatte zuvor mit Merkel telefoniert.

Das lässt darauf schließen, dass die Lage ernst ist – und dass die wichtigen Entscheidungen der nächsten Stunden und Tage nicht in der „geopolitischen Kommission“ in Brüssel fallen, sondern im Kanzleramt in Berlin.

Ausgerechnet – denn Merkel ist seit der „großen“ Flüchtlingskrise 2015 und ihrem darauffolgenden Deal mit Erdogan besonders erpressbar…

Siehe auch „Erdogan will Hilfe von Merkel“

P.S. 29.02.20 Nun hat sich EU-Ratspräsident Michel zu Wort gemeldet – mit Beileids-Bekundungen für die toten türkischen Soldaten in Idlib. Zu Erdogans Erpressungsversuch an der griechischen Grenze sagt er nur, dass er den Flüchtlingsdeal weiter hochhalten will – statt der „Sprache der Macht“ ist das ‚mal wieder Appeasement in Reinkultur…

P.P.S 01.03.20 Action! EU-Migrationskommissar Schinas kündigt an, am Montag nach Berlin zu reisen. Dabei müßte er (als Grieche!) doch eigentlich in Evros sein, am Ort des Geschehens. Aber nein, Schinas will mit Merkel sprechen, genau wie Mitsotakis. In der Flüchtlingspolitik geht wohl nichts ohne sie – was im Umkehrschluß heißt, dass die EU nicht funktioniert…