Neoliberale EU – wo bleibt die Selbstkritik?
Schon vor ein paar Jahren hat der IWF sein Mea Culpa zur gescheiterten Griechenland-„Rettung“ gemacht. Nun schiebt die Forschungsabteilung auch noch eine Abrechnung mit dem Neoliberalismus nach.
Darin greifen die Experten zwei neoliberale Dogmen an: die Kürzung der Staatsausgaben und die freien Kapitalmärkte. Bei beiden könne man nicht beweisen, dass sie Wachstum fördern, eher im Gegenteil.
Leider zieht der IWF selbst jedoch noch keine Konsequenzen aus dieser Analyse. Im Gegenteil: Beim laufenden dritten Bailout für Griechenland liegt der Akzent wiederum auf Austeritätspolitik.
Aber immerhin: In Washington überprüft man wenigstens gelegentlich, ob die eigenen Grundannahmen noch stimmen. In Brüssel hingegen vermisst man jegliche Selbstkritik.
Unter Juncker wurden nur die Schilder geändert: die Troika heißt nun „die Institutionen“, Austerität wird als „nachhaltige Finanzpolitik“ getarnt. Doch Theorie und Praxis werden nicht hinterfragt, im Gegenteil.
So hat die Eurogruppe für Griechenland gerade einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent (vor Schuldendienst) festgeschrieben. Dabei glaubt nicht einmal der IWF daran, dass das realistisch ist…
Peter Nemschak
30. Mai 2016 @ 16:51
Ganz so stimmt es nicht. Kürzung der Staatsausgaben können, müssen aber nicht wachstumsfördernd sein. In hochentwickelten Ländern mit einer substantiellen Staatsquote (um die 50%) führen weitere Umverteilungsmaßnahmen durch Erhöhung der Staatsquote zu einer Wachstumsverminderung, da über den Steuerdruck Anreize für leistungswillige und-fähige Menschen verkürzt werden. In Griechenland hat das Programm der EU deshalb nicht gegriffen, weil Griechenland ein Entwicklungsland ist, bei dem Grundvoraussetzungen für einen modernen Staat fehlen. Die unzulängliche Steuerpolitik (zu kleine Steuerbasis, zu viele Steuerbefreiungen – die Folge davon schlechte Steuermoral und hohe Steuerschulden gegenüber dem Staat) können nur durch politische Maßnahmen der griechischen Regierung verändert werden. Dafür fehlt die nationale Bereitschaft. Es muss endlich gesagt werden, dass die griechischen Probleme zum Großteil hausgemacht sind und das Land lösungsunfähig ist. Daher wäre ein Austritt aus dem Euro wohl die sinnvollste Lösung für alle Beteiligten. Projektbezogene Fördermaßnahmen durch die EU wären für Griechenland das Richtige. Solange Griechenland im Euro ist, bedarf es einer engmaschigen Budgetkontrolle durch die EU.
S.B.
30. Mai 2016 @ 16:30
„Unter Juncker wurden nur die Schilder geändert: die Troika heißt nun „die Institutionen“, Austerität wird als „nachhaltige Finanzpolitik“ getarnt. Doch Theorie und Praxis werden nicht hinterfragt, im Gegenteil.“
So ist das, wenn der Politik selbst nichts mehr einfällt und deshalb die Presseabteilungen aufpolieren müssen, wo es nichts mehr aufzupolieren gibt. Dann ist die Zeit der großen Propaganda.