Nein, Brüssel mag immer noch keine Whistleblower

Nach langem Zögern und vielen Skandalen (LuxLeaks, VW-Dieselgate…) will die EU endlich die Whistleblower schützen. Doch die geplanten Regeln sind kompliziert. Für investigative Journalisten bringen sie neue Probleme.

Jahrelang waren „Whistleblower“ (anonyme Hinweisgeber) in Brüssel verpönt. Als sich der Franzose A. Deltour vor zwei Jahren vor einem Luxemburger Gericht in der LuxLeaks-Steueraffäre verantworten musste, weil er brisante Informationen an die Medien durchgestochen hatte, konnte er nicht auf Hilfe der EU-Kommission rechnen.

Doch nun hat die Brüsseler Behörde ihre Meinung geändert. Rechtzeitig vor der Europawahl 2019 will sie Whistleblowern helfen. Allerdings entspricht das nun vorgeschlagene Gesetz nicht wirklich dem Arbeitsalltag von Informanten und Reportern.

Es sieht den Aufbau eines komplizierten Meldesystems für Firmen und Behörden vor. Erst wenn dieses neue, mehrstufige  System versagt, sollen Missstände veröffentlicht werden.

Dies sei der „letzte Ausweg“, meint die EU-Kommission. Nur so könne “ungerechtfertigter” Rufschaden verhindert werden.

Ob ein solches Verfahren geholfen hätte, die Missstände im Steuersystem von Luxemburg zu beheben oder Geldwäsche auf Malta aufzuklären, muss sich erst noch erweisen. 

Zweifel sind nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Denn ausgerechnet bei der Information der Öffentlichkeit versagt der Entwurf. So klagen die “Reporter ohne Grenzen”:

One crucial element is missing in the legislative proposal: the protection of whistleblowers when they alert the press. Including alerts to the media only as a last resort, in case of imminent danger or irreversible damage amounts to limiting press freedom and the right of the public to access information of general interest.

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. Am Beispiel der beiden ermordeten Investigativ-Journalisten Daphne Caruana Galizia aus Malta und Jan Kuciak aus der Slowakei werden wir sehen, ob die EU es wirklich ernst meint…

WATCHLIST:

  • Syrien-Konferenz in Brüssel. Am Dienstag und Mittwoch will sich die EU mal wieder von der netten Seite zeigen und die wohl völkerrechtswidrigen Militärschläge der EU-Mitglieder Frankreich und UK vergessen machen. Es wird wieder Geld gesammelt – allerdings erneut mit Hintergedanken: Bis Jahresende fehlen 650 Mill. Dollar für humanitäre Flüchtlingshilfe. Der Geldmangel (und die Invasion der Türkei) könnte eine neue Flüchtlingswelle nach Europa zur Folge haben…
  • US-Präsident Trump empfängt seinen französischen Amtskollegen Macron. Der Sonnenkönig ist der erste, für den Trump einen offiziellen Staatsbesuch abhält. Wird er auch der erste sein, der ihn zur Vernunft bringt? Es geht um so heikle Themen wie Strafzölle, das Atomabkommen mit Iran und wiederum Syrien. Macron will Trump überzeugt haben, die US-Truppen nicht abzuziehen – doch bisher gibt es dafür keine Beweise. Eher sieht es so aus, als hätten sich beide verrannt.

WAS FEHLT?

  • Aserbaidschan-Ermittlungen im Europaparlament. Externe Ermittler haben Hinweise auf Korruption bei mehreren Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gefunden. So habe eine Gruppe innerhalb der Organisation für Aserbaidschan gearbeitet, heißt es im Bericht einer Untersuchungskommission. Ähnliche Vorgänge wurden auch aus dem Europaparlament gemeldet – wann wird dort endlich eine Untersuchung eingeleitet?
  • Aserbaidschan-Ermittlungen auf Malta. Die führenden Clans der Kaukasus-Republik haben offenbar ihr Geld in der Pilatus Bank gewaschen, berichtet der “Guardian” im Zuge des “Daphne”-Projekts. Es war nach dem Mord an der investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia aufgelegt worden. Trotz zahlreiche Hinweise wurde die EU immer noch nicht aktiv. Vielleicht liegt es daran, dass Aserbaidschan von Brüssel umworben wird, u.a. wg. Gasvorkommen?
  • Stabilität in Armenien. Nach Georgien 2003, der Ukraine 2004 und 2014 und Kirgisistan 2005 haben auch in Armenien Straßenproteste zu einem Machtwechsel geführt. Ministerpräsident Sersch Sargsjan trat am Montag überraschend zurück. Die jetzige Protestbewegung, die in elf Tagen einen Machtwechsel herbeigeführt hatte, entstand in erster Linie als Reaktion auf Armut und Korruption, meldet die “Deutsche Welle”. Auch Armenien gehört zu den Staaten, die die EU umwirbt…