Nato-Rasmussen bewacht Europawahl – EU-Kommission beschimpft Kritiker

Merkwürdige Dinge spielen sich rund um die Europawahl ab. Einerseits scheint keiner der Kandidaten bereit, endlich ‘mal in den Wahlkampf einzusteigen und zu verraten, wie er es mit Frieden, Abrüstung und dem INF-Vertrag hält. Andererseits lassen sich (fast) alle Kandidaten vom früheren Nato-Chef Rasmussen einwickeln.

Rasmussen hat nach seinem Abgang als Nato-Generalsekretär die Consulting-Firma “Rasmussen global” gegründet und u.a. den ukrainischen Präsidenten Poroschenko beraten. Auch mit dem Brexit macht er offenbar gute Geschäfte.

Nun mischt er sich in die Europawahl ein – ohne demokratisches Mandat, aber mit viel “Connect, Shape, Influence”, wie er seine Tätigkeit auf der Homepage anpreist. (Kanzlerin Merkel wird da übrigens auch gezeigt.)

Auf der Sicherheitskonferenz in München lancierte Rasmussen zusammen mit der “Transatlantischen Kommission” einen Appel gegen “Einmischung bei der Europawahl”, der sich gegen vermutete Attacken aus Russland wendet.

Zitat aus dem Aufruf:

We expect that malign powers will also want to have their say in the upcoming European Elections. This is why we are asking those on the front line of the elections, the candidates and parties themselves, to say clearly that they will resist direct or indirect assistance from foreign malign actors.

Nicht einmal 24 Stunden später hatten die Spitzenkandidaten der etablierten Parteien, die Grünen eingeschlossen, auch schon unterzeichnet. Dazu ein Tweet von Rasmussen:

Eine merkwürdige Allianz, die sich da zusammenfindet. Denn wenn die Europawahl geschützt werden muss, dann doch wohl zuallererst von der EU, nicht von einem ehemaligen Nato-Chef und seinen US-Freunden.

Die EU-Kommission hat schon die Initiativen ergriffen – z.B. mit Facebook oder Instagram. Viele Europaabgeordnete haben selbst Erfahrung als Wahlbeobachter. Wozu braucht es da noch externe Berater und “Influencer”?

Zudem stellt sich die Frage, was die Initiatoren und Unterzeichner von amerikanischer Einmischung halten – etwa im Streit um die Iran-Sanktionen, die Gaspipeline Nord Stream 2 oder deutsche Autoexporte?

Werden sie nun auch US-Präsident Trump untersagen, sich mit Pressionen und Sanktionen in die EU-Wahlen einzumischen? Oder ist das jetzt nicht mehr opportun, weil es ja mit Rasmussen gegen Russland geht?

So oder so wirft diese Initiative viele Fragen auf. Sie rückt den Europa-Wahlkampf in ein schiefes Licht, noch bevor er richtig begonnen hat. Und sie zeigt einmal mehr die Grauzonen des (politischen) Lobbyismus in Brüssel…

Siehe auch “Fehlstart in die Europawahl”

WATCHLIST:

  • Beim Treffen der EU-Außenminister soll es mal wieder neue Sanktionen gegen Russland geben, diesmal wegen der Vorfälle im Asowschen Meer. Die liegen zwar schon Monate zurück und sind bis heute nicht aufgeklärt, doch unter Druck der USA will die EU nun einige (angeblich) Verantwortliche mit Kontosperren und Reiseverboten belegen.

WAS FEHLT:

  • Die vieldeutigen Worte der Kanzlerin zur Fridays-for-Future-Bewegung. Einerseits lobte Merkel die Schülerdemos, die es nun (endlich) auch in Deutschland gibt. Andererseits sprach sie von Kampagnen im Internet – was viele als Versuch werteten, der Bewegung zu unterstellen, sie werde aus Russland ferngesteuert. Erinnert irgendwie an Rasmussen, oder?
  • Der Blogpost, in dem die EU-Kommission die Kritiker der Copyright-Reform zum “Mob” erklärte. Er wurde auf der Internet-Plattform “Medium” veröffentlicht und wurde u.a. von der Piratin J. Reda scharf kritisiert. Daraufhin hat die EU-Kommission ihren Text zurückgezogen. Er sei falsch verstanden worden, heißt es, die Ausrede steht hier. Zum Glück hat das Internet ein Gedächtnis – der Original-Post findet sich noch im Web-Archiv, und zwar hier