Nato not dead, Pflüge zu Schwertern – und Angst vor dem Trump-Crash
Die Watchlist EUropa vom 03. April 2025 – Heute mit News und Analysen zur Rolle der USA im Nordatlantik-Pakt, einer Reform der EU-Kohäsionsfonds und der nächsten Runde im Handelskrieg.
Totgesagte leben länger, auch in der Nato. Die Nordatlantische Allianz ist sogar agiler denn je – auch wenn Politik und Medien das Gegenteil behaupten und an der Bündnistreue von US-Präsident Trump zweifeln.
“Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Bündnis mit den USA Bestand haben wird”, sagte Nato-Generalsekretär Rutte vor einem Treffen der Außenminister in Brüssel. “Ihr Bekenntnis ist absolut eindeutig”, betonte er.
Genauso eindeutig hatten sich zuvor schon Nato-Diplomaten geäußert. Bisher seien keine Vorbereitungen für einen Rückzug der USA zu erkennen, erklärte ein Diplomat. In der Nato gebe es darüber auch keine Debatte.
Keine Angst vor Russland
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Liegen die Europäer also falsch, wenn sie aus Angst vor amerikanischem Liebesentzug aufrüsten und eine “Koalition der Willigen” gegen Russland vorbereiten? Ja und Nein. Falsch ist die Behauptung, es drohe schon bald Krieg.
Bei der Nato fürchtet sich niemand vor einem russischen Angriff. Die Abschreckung funktioniere, betont Rutte. Erst nach einem Waffenstillstand in der Ukraine könnte sich Russland neu aufstellen und aggressiver auftreten.
Doch mit einem konventionellen Angriff sei nicht vor 2028/29 zu rechnen, so ein Insider. Viel größere Sorgen bereitet den Militärs die Lage im Nahen Osten (Israel/Iran) und in China (Taiwan). Hier könnte es früher knallen.
Die nächsten Kriege der USA
Das ist wohl auch das Szenario, auf das sich alle vorbereiten. Wenn die USA an anderen Fronten “gefordert” sind, sollen die EUropäer in der Ukraine “einspringen” – und sich zur Not auch gegen Russland verteidigen.
Doch selbst das dürfte unter US-Führung erfolgen. Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa, genannt SACEUR, ist US-General Cavoli – derselbe Cavoli, der die Kriegseinsätze gegen Russland in der Ukraine leitet!
Dass die Nato keinerlei Absicht hat, in der Ukraine oder in Europa kürzer zu treten, zeigt auch ein anderer Fakt: Generalsekretär Rutte hat die “Koalition der Willigen” eingeladen, am 10. April im Nato-HQ in Brüssel zu tagen!
Als Gastgeber fungieren zwar offiziell Frankreichs Staatschef Macron und der britische Premier Starmer. Doch Rutte wird auch teilnehmen. Und wer weiß – vielleicht kommen ja auch ein paar Special guests aus den USA!?
Siehe auch Ukraine-Krieg wird aus Wiesbaden geführt – doch Berlin schaut weg
News & Updates
- Pflugscharen zu Schwertern: Bisher wurden die Kohäsionsfonds für zivile Aufgaben genutzt, die den Zusammenhalt in Europa stärken sollen. Nun will die EU-Kommission nicht genutzte Gelder aus dem 392 Mrd. Euro schweren Budget für die Aufrüstung nutzen. Brüssel will es den Mitgliedstaaten ferner ermöglichen, die Kohäsionsmittel für den Aufbau einer “widerstandsfähigen Infrastruktur zur Förderung der militärischen Mobilität” zu nutzen. Behördenchefin von der Leyen verspricht den östlichen Grenzregionen, “die unverhältnismäßig stark vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine betroffen sind”, noch dazu eine Vorzugsvorfinanzierung. – Schwerter zu Pflugscharen war gestern, nun gilt das Gegenteil!
- Orban empfängt Netanjahu in Ungarn. Der israelische Ministerpräsident ist zusammen mit seiner Frau Sara am Mittwoch für fünf Tage zu einem Staatsbesuch in Ungarn aufgebrochen. Er wird zwar vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht. Doch Regierungschef Orban hat ihm freies Geleit zugesagt. – Orban ist nicht allein: Auch Frankreichs Macron und Wannabe-Kanzler Merz haben den mutmasslichen Kriegsverbrecher Netanajahu herzlich eingeladen…
- Berlin weist EU-Bürger aus – wegen Palästina. Zwei Iren, eine Polin und ein Amerikaner sollen nach der Teilnahme an propalästinensischen Protesten in Berlin das Land verlassen. Das Berliner Landesamt für Einwanderung hat gegen sie „im Zusammenhang mit den Vorfällen an der Freien Universität Berlin (FU) vom 17.10.2024 aufenthaltsbeendende Bescheide erlassen“, wie die Innenverwaltung auf Anfrage mitteilte. – Wir nähern uns amerikanischen Verhältnissen – in Berlin!
Das Letzte
Angst vor dem Trump-Crash. Am Mittwoch war “Tag der Befreiung” in Washington – folgt am Donnerstag der Trump-Crash? Diese Sorge geht in Brüssel um, nachdem US-Präsident Trump angekündigt hat, am 2. April die nächste Runde seines weltweiten Handelskriegs einzuläuten. Die neuen US-Zölle – 20 Prozent auf alle EU-Importe – werden Ökonomen und Zentralbanken zufolge zu einem beträchtlichen Schaden für die Weltwirtschaft führen. Nach einem Bericht des “EU Observer” könnte Trumps wirtschaftliche Aggression sogar einen globalen “Finanz-Kollaps” auslösen. An den Börsen ging es zuletzt schon kräftig bergab…
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Guido B.
3. April 2025 @ 13:55
@Skyjumper
Ja, da haben Sie einen Punkt. Man darf die Resilienz des Volkes nicht unterschätzen und seinen Gestaltungswillen nicht überschätzen. Der größte Teil des Volkes brilliert als leidensfähige Verfügungsmasse. Sogar die exzessivste Form des Kapitalismus scheint der menschlichen Natur näher zu sein als die mildeste Form von aufgeklärter Zivilisation.
Skyjumper
3. April 2025 @ 10:40
@Guido
„Das Volk“ wird sich das noch sehr lange gefallen lassen. Denn es sind ja nicht die irrsinnigen Politiker schuld. Nein, nein. Es sind immer wieder Teilmengen des des Volkes schuld. Mal die Alten, mal die Jungen, mal die Reichen, mal die Armen, mal die Migranten, mal die Besitzstandswahrer, mal die Juden, mal die Moslems. Putins oder Trumps, rechte, linke, bunte, kleine, große, blauäugige oder rothaarige – die Liste ist beliebig erweiterbar.
Divide et impera! Es funktioniert bestens und die Politik beherrscht dieses Spiel hervorragend.
Werfen Sie einen Blick in weit zurückliegende Zeiten. Der 30-jährige Krieg in den deutschen Landen. Das Volk hat sie alle gefeiert und bejubelt. Den habsburger Kaiser, den böhmischen König, die Schweden, die Franzosen, die Landsknechte, die Söldner, Wallenstein, Carl-Gustav und viele mehr. Das Volk hat gefeiert, einen nach den anderen und wieder zurück. Und ist derweil verhungert, wurde verschleppt, vergewaltigt und massakriert. Einige, wenige, Stadtbevölkerungen haben sich dann irgendwann, spät, mal gegen die ganzen Söldnertruppen aufgelehnt – in der Regel nachdem bereits 50-70 % der Stadtbevölkerung verhungert waren, die Stadt bereits 5-6 gebrandschatzt worden war und selbst die Ratten und Mäuse knapp wurden.
Aber 1648 haben sie dann wieder alle gemeinsam gejubelt und gefeiert und diejenigen Hochleben lassen die in Münster den Frieden schlossen. Ungeachtet der Tatsache dass es auch genau jene waren die den Mist erst angefangen hatten.
Es gilt übrigens bis heute als eine der Sternstunden Europas. Die Geburtsstunde der Diplomatie.
Nein, nein: Wir, das Volk in seiner Gesamtheit, sind ungefähr so intelligent wie ne Scheibe Toastbrot.
Helmut Höft
3. April 2025 @ 09:50
““Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Bündnis mit den USA Bestand haben wird”” Will sich Europa (und die Rest-NATO) vom Vasallendasein befreien muss das weg, das NATO – der Hegemon versteht keinen Spaß!
Herr Mark Rutte hat schon die Niederlande in die Grütze geritten – ein echter Politnik, aus echtem Schrot(t) und (Doppel)Korn – dafür wurde er befördert. Jezz iss abber gut, gell!
Guido B.
3. April 2025 @ 08:40
Im Westen regiert der Wahnsinn. Alles wird durch irrsinnige Politiker zerstört: Wohlstand, Sicherheit, Diplomatie, Gemeinschaft, Frieden, der Glaube an die Zukunft. Wie lange lässt sich das Volk das marodierende Verhalten der Eliten noch gefallen?