Nachverhandeln geht doch – Täglich sechs tote Flüchtlinge
Die EU hat hart und kompromisslos auf die jüngsten Forderungen aus dem britischen Unterhaus zum Brexit reagiert. Nachverhandeln sei nicht möglich, heißt es in Brüssel. Dabei gibt es genug Gegenbeispiele.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Situationen gegeben, in denen die Europäer ausgehandelte Verträge wieder „aufgemacht“ haben. Das war beim EU-Vertrag von Lissabon so, der auf Wunsch Irlands nachträglich ergänzt wurde.
Ein anderes Beispiel sind die Verhandlungen mit Kanada über das Freihandelsabkommen CETA. Damals schaffte es Ex-Außenminister Sigmar Gabriel, den Text substanziell zu verändern. Kanada hat die Korrekturen anstandslos geschluckt.
Im Falle Großbritanniens wären Nachverhandlungen sogar besonders einfach. Denn London hat den Austritts-Vertrag nicht ratifiziert, auch das Europaparlament muss noch zustimmen. Es ist also noch nicht alles in Stein gemeißelt!
Auch die EU-Argumente für den Backstop für Irland sind nicht so stark, wie sie aussehen. Der Backstop, der UK dauerhaft an EU-Recht binden könnte, gilt als unverzichtbare „Lebensversicherung“ gegen eine „harte Grenze“ zu Nordirland.
Wenn in der inneririschen Grenze wieder Polizisten oder Soldaten aufziehen sollten, würde dies den Frieden gefährden. Das will niemand – nicht einmal in London.
Doch eine „harte Grenze“ würde auch beim einem ungeordneten Austritt Großbritanniens entstehen – und ausgerechnet das EU-Mitglied Irland müsste sie errichten.
Das hat die EU-Kommission klargestellt. Irland wäre nach EU-Recht verpflichtet, die neue Aussengrenze zu sichern und den Grenzverkehr zu überwachen, um den europäischen Binnenmarkt nicht zu gefährden.
Im Ernstfall wäre der Binnenmarkt womöglich wichtiger als der Frieden – ein Dilemma, über das man in Brüssel ungerne spricht. Premierministerin May könnte es nutzen, um einen Keil in die Front der EU-27 zu treiben…
WATCHLIST:
- Am Donnerstag und Freitag treffen sich in Bukarest die EU-Außenminister, um über die Krise in Venezuela, das Iran-Abkommen und andere Probleme zu sprechen. Bundesaußenminister Maas ist mit der Forderung vorgeprescht, in Venezuela unverzüglich Neuwahlen abzuhalten – doch das kommt nicht in allen EU-Ländern gut an. Mehr dazu hier
WAS FEHLT:
- Die Anklage des UNHCR. Wegen der restriktiven Flüchtlingspolitik gibt es mehr Tote im Mittelmeer, klagt das Uno-Flüchtlingshilfswerk Besonders drastisch war die Entwicklung zwischen Libyen und den EU-Staaten Malta und Italien. Dort stieg die Todesrate fast auf das Dreifache. Jeden Tag seien im Durchschnitt sechs Menschen ums Leben gekommen.
Solveig Weise
1. Februar 2019 @ 12:11
Zur Ergänzung Daten des UNHCR (jeweils Tote)
2013: 636
2014: 703
2015: 965
2016: 1.121
2017: 664
2018: 255
2019: 27 (Stand 01.02.2019)
Wieso wird darüber nicht berichtet? Und dann wundert man sich,dass das Vertrauen in die Redlichkeit des Journalismus schwindet?
ebo
1. Februar 2019 @ 13:02
Es wird sehr wohl darüber berichtet. Die EU-Chefs preisen diese Zahlen bei jedem Gipfeltreffen.
Solveig Weise
1. Februar 2019 @ 12:06
Die Zahl der Toten im Mittelmeer war im vergangenen Jahr so niedrig wie seit dem Jahr 2014 nicht mehr. Seit die Italiner ihre Politik verschärft haben sind die Zahlen kontinuierlich zurückgegangen.
Woher ich das habe? Na vom UNHCR.
Lieber ebo: Auf der Website des UNHCR finde ich völlig andere Daten.
Dead and Missing Januar 18: 340
Dead and Missing Januar 19: 207
Schauen wir mal ob mein Kommentar auch veröffentlicht wird.
ebo
1. Februar 2019 @ 13:01
Meine Zahlen stammen aus den Agenturen.
Ute Plass
31. Januar 2019 @ 20:20
„Derzeit spekulieren viele mit dem Mitleid unserer Gesellschaft und darauf irgendwie durchzurutschen.“
Würde ich auch tun, wenn es mir ‚dreckig‘ ginge. Sie etwa nicht?
Wie heißt es so sinnig bei den Bremer Stadtmusikanten:
„. … etwas Besseres als den Tod findest du überall….“
Kleopatra
31. Januar 2019 @ 10:26
Ertrunkene Migranten gibt es vor allem deshalb, weil diese sich realistische Hoffnungen machen, von Schiffen aus dem Wasser gezogen zu werden, und deshalb mit Fahrzeugen losfahren, die nie in der Welt die Strecke z.B. von Libyen nach Italien überwinden könnten. Wenn sie sicher davon ausgingen, dass eine Fahrt mit dem Schlauchboot entweder mit dem Tod durch Ertrinken oder im besten Fall wieder in Libyen endet, würden sie diese Fahrten wohl nicht unternehmen und daher von vornherein nicht ertrinken. Wie also bringt man sie von diesem Wahnsinn ab?
Peter Nemschak
31. Januar 2019 @ 13:02
Es geht darum unsere Politik konsequenter zu machen. Unter dem Mantel von Humanität verbirgt sich das Gegenteil davon. Ein Staat ist weder ein karitatives Individuum noch eine solche NGO sondern trägt Verantwortung für das gesamte Gemeinwesen auf seinem Territorium. Es gilt, klare Regeln für legale Migration zu formulieren, diese entsprechend zu kommunizieren und durchzusetzen. Wer trotzdem versucht illegal nach Europa zu kommen, tut dies auf eigenes Risiko und darf nicht mit Hilfe rechnen. Wenn alle wissen, woran sie sind, wird auch der Strom an Illegalen versiegen. Derzeit spekulieren viele mit dem Mitleid unserer Gesellschaft und darauf irgendwie durchzurutschen. Das Ergebnis sind Tote.
Peter Nemschak
31. Januar 2019 @ 09:50
Was das UNHCR schuldig bleibt ist, wie eine humanere Außengrenzsicherung, welche zum Ziel hat illegale Migration nach Europa zu verhindern, aussehen könnte.