Nach Draghis Warnung: Der Kollaps beschleunigt sich – in Deutschland
Der Wirtschaft in der EU drohe eine “langsame Agonie”, warnt der frühere EZB-Chef Draghi. Neue Meldungen aus Deutschland deuten eher daraufhin, dass sich der Kollaps beschleunigt.
“Keine guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt: Gesamtbeschäftigung zwar stabil bei ca 46 Mio, aber De-Industrialisierung nimmt an Fahrt auf.” Dies schreibt der Ökonom Suedekum auf “X”.
Die jüngsten Zahlen der Arbeitsagentur “untermauern die dramatische Tonlage”, die Draghi und der BDI gesetzt haben, meint der Experte.
Kurz zuvor hatte Volkswagen nach 40 Jahren seine Jobgarantie aufgekündigt. Nun bangen 120.000 Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz. Auch bei BMW sieht es finster aus.
“German industry is undergoing the most pronounced downturn in the history of Germany“, schreibt Holger Zschaepitz, der “Schuldensühner” von der “Welt”.
Doch nicht nur die Industrie sackt ab. Auch die Infrastruktur bricht zusammen, wie der Absturz der Carolabrücke in Dresden zeigt.
Weil Leitungen beschädigt wurden, ist auch die Fernwärmeversorgung in der Stadt gestört.
Das Unglück hat das Zeug, zum Sinnbild für den Kollaps der deutschen Wirtschaft zu werden…
Siehe auch Viel jammern, wenig ändern: Reaktionen auf Draghis Abrechnung
P.S. Die Bundesregierung hat erneut ihre Wachstumsprognose gesenkt. Auch dieses Jahr wird die Wirtschaft wohl schrumpfen. Wirtschaftsminister Habeck rechnet mit einem Minus von 0,2 Prozent. Die Bundesregierung habe sich in eine “sehr schwierige Lage manövriert“, sagt der Wirtschaftsweise Achim Truger. Die Lage sei “wirklich dramatisch”…
Michael Conrad
12. September 2024 @ 09:09
Jetzt wird immer stärker deutlich, was der
Blendungsbegriff “Transformation “ wirklich bedeutet: Die Umwandlung eines ökonomischen Systems, das über viele Jahre hinweg gut funktioniert hat, in ein System, das schlecht bis gar nicht funktioniert.
Arthur Dent
11. September 2024 @ 23:27
#Draghi – Wettbewerbsfähigkeit kommt von Wettbewerb, die deutschen Großunternehmen gieren aber vor allem nach staatlichen Subventionen.
– Der Zugang zu billiger Energie ist die Grundlage volkswirtschaftlichen Wohlstands, in Deutschland macht man sie so teuer wie möglich. Wind und Sonne sind eben nicht billig – je mehr Ausbau der Erneuerbaren, desto mehr Zubau von Gaskraftwerken. Und Gas wollen wir schön teuer importieren.
(„Ganz schlau“ ist der Plan, schon mal völlig funktionstüchtige Großkraftwerke abzuschalten – und zwar endgültig). Und die Braunkohleabbaugebiete zu fluten, damit sie unbrauchbar wird.
Der Aufwand grünen Wasserstoff zu erzeugen, ist praktisch genau so hoch wie der Ertrag (vor allem, wenn er importiert werden muss).
Deutschland hat für seine Energiewende 350 – 550 Mrd. Euro ausgegeben (so genau weiß man das nicht, erzeugt aber trotzdem 336 Gramm CO2 je kWh Strom. Ich glaube, nur Polen hat in der EU noch schlechtere Werte – aber nicht mehr lange, die holen auf). E-Autos sind in Deutschland fürs „Klima“ nutzlos, in China auch. Das Stromnetz wird auch dort zu 70 Prozent durch Kohlestrom stabilisiert. In Norwegen sind sie top, die haben weit über ihren durchschnittlichen Bedarf Naturstrom zur Verfügung….
Stef
11. September 2024 @ 15:19
Den Niedergang Deutschlands als Industriestandort und den Verfall der hiesigen Infrastruktur kann man aber auch nicht einfch mit mehr Schulden und mehr Investitionen begegnen. Wir sind in diese Sackgasse gekommen, weil die Rahmenbedingungen für Investitionen und die nachhaltige und effiziente Bewirtschaftung öffentlichen Vermögens “versaut” wurden. Nicht nur für die öffentliche Schuldeaufnahme durch die Schuldenbremse, die de facto auch in der Rezession zum Kaputtsparen zwingt. Auch durch die planvolle Erosion der Möglichkeiten, Investitionen in Infrastruukuren oder Aufwnedungen für deren Instandhaltung ohne privatwirtschaftliches Profitinteresse zu organisieren. Große öffentliche Bauaktivitäten müssen inzwischen schon deshalb in Private-Public-Partnership vorgenomen werden, weil Personal und Sachkompetenz in der öffentlichen Verwaltung fehlt. Jahrzehntelange Sparkuren und schlechte Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Ein Schelm der denkt, dass sei absichtlich aus Profitgier herbeigeführt worden…
Bekannt ist, dass Ministerien ohne die Unterstützung von teuren Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen schon nicht mehr im Stande sind, konsistente Gesetzesentwürfe zu fertigen. Dasselbe gilt für die Landes- und Kommunalverwaltungen fast durch die Bank weg und betreffend so ziemlich aller öffentlichen Verwaltungsleistungen. Wer sich ein Bild davon machen möchte, kann sich die Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes zu den größten PPP-Projekten der letzten Jahrzehnte durchlesen.
Sobald privates Kapital beteiligt ist an öffentlichen Investitionen, verschiebt sich das Interesse hin zum privatnützigen Kommerz und weg von der effizienten und Steuermittel sparenden Aufgabenerledigung. Ironischerweise wird das immer mit dem Argument der höheren Effizienz der Privatwirtschaft begründet, dabei wird aber unterschlagen, dass die Effizienz primär auf die Renditeerzielung gerichtet ist.
Folglich würde die sofortige Umsetzung von Draghis Milliardenplan nur dazu führen, dass privater Reichtum gemehrt wird und auf Dauer die öffentliche Hand mehr Steuergeld für weniger Leistungen hinlegen muss. Das war nie und wird niemals nachhaltig wirtschaftlich funktionieren.
Die bittere Wahrheit ist also, dass vor der Aufbau bzw. Investitionsoffensive die Mittelbeschaffung steht. Dass aber vor der erfolgreichen Umsetzung auch noch die Struktur der Aufgabenerledigung neu geschaffen werden muss. Sonst erleiden wir Schiffbruch.
Wir reden von einer Generationenaufgabe, die leider auch noch einen vollständigen Bruch mit den herrschenden kapitaldienlichen und neoliberalen Paradigmen voraussetzt.
Skyjumper
11. September 2024 @ 18:14
@Stef
Der Diagnose kann ich über weite Strecken problemlos folgen. Eine ganze Reihe Ihrer Schlußfolgerungen würde ich dagegen ganz anders sehen. Was allerdings auch sehr stark daran liegt, dass ich eine wesentlich positivere Grundeinstellung zum Kapitalismus, und eine deutlich skeptischere zum Sozialismus habe.
„weil die Rahmenbedingungen für Investitionen und die nachhaltige und effiziente Bewirtschaftung öffentlichen Vermögens “versaut” wurden…..“
Ja, das stimmt. Zu diesen versauten Rahmenbedingungen würde ich bspw. AUCH den Irrglauben zählen, dass der Staat nachhaltig Leistungen unterhalb des Selbstkostenpreises bereitstellen könnte. Die öffentliche Hand kann und sollte ohen Renditeabsicht wirtschaften, aber sie müßte gleichwohl kostendeckend wirtschaften.
Vor allen aber würde ich Ihre Beschreibung gerne darum ergänzen, das vielfach auch Rahmenbedingungen für die nichtöffentlichen Bereiche versaut wurden. Insbesondere im Bereich der Kleinst-, Klein- und Mittelstandswirtschaft.
„…. die de facto auch in der Rezession zum Kaputtsparen zwingt…..“
Das kommt davon wenn man Keynes immer wieder absichtlich missversteht. Würde die öffentlichen Hand in guten Zeiten wenigstens plus/minus Null arbeiten (noch nicht einmal „sparen“), könnte sie in der Rezession die 0,35 % (der Bund) des BIP oben drauf packen. Ist das aber bereits in guten Jahren immer fest mit eingeplant udn ausgegeben, kommt man zu dem Kaputtsparen von dem Sie schreiben. Wäre aber bei 0,7 %, 1,4 %, 2,8 % auch nicht anders.
Wenn die öffentliche Hand in normalen Jahren Schulden aufnimmt, sind die Ausgabebegehrlichkeiten entweder zu hoch, oder die Einnahmen zu wenig.
„Wer sich ein Bild davon machen möchte, kann sich die Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes zu den größten PPP-Projekten der letzten Jahrzehnte durchlesen“
PPP ist, ich bin schon geneigt „verbrecherischer“ zu sagen, Unsinn in Reinkultur. Private Investitionen haben in öffentlichen Investitionen nichts zu suchen. Die Zielsetzungen (wenn sinnvoll formuliert) können in 90 % einfach nicht konform gehen. PPP’s sind Ausdruck ideologischer, oder prestigegeprägte Wunschkonzerte der Politik die bei solider Haushaltsarbeit, bzw. ohne erhöhte Staatseinnahmen nicht realisierbar wären. Den Preis dafür zahlt im Regelfall der normale Bürger doppelt und dreifach.
„Die bittere Wahrheit ist also, dass vor der Aufbau bzw. Investitionsoffensive die Mittelbeschaffung steht.“
Wenn wir Investitionen für nötig halten, müssen wir die Mittel beschaffen. Per Steuern! Nur dann wird eine echte Abwägung zwischen Nutzen einerseits und Aufwand andererseits stattfinden. Wünschenswert ist vieles. Aber würden wir es auch noch wollen wenn wir es unmittelbar bezahlen müßten?
Stef
12. September 2024 @ 11:04
@ Skyjumper: Wir wollen auf dasselbe hinaus.
Zwei aktuelle Artikel, die den erbarmungswürdigen Zustand unserer Wirtschaft und unserer Variante des Kapitalismus zeigen:
https://www.fnp.de/frankfurt/finanzkriminalitaet-ex-staatsanwaeltin-anne-brorhilker-ueber-den-kampf-gegen-93288585.html
https://taz.de/Rettung-der-Meyer-Werft/!6036306/
Der neoliberale Kapitalismus braucht den Staat als Einnahmequelle, weil er sonst keine auskömmlichen Gewinne mehr generieren kann. Das müssen wir abstellen. Ob wir den Zustand danach dann Sozialismus oder Kapitalismus 2.0 nennen wollen, soll uns nicht entzweien.
european
11. September 2024 @ 13:51
Und in der Zwischenzeit sucht man auch unter den Tischen, wo denn die Auslandsinvestitionen und Auslandsverschuldungen bleiben, die den Karren aus dem Dreck ziehen sollen, damit wir keine Schulden machen 😉
Nun, das Ausland ist gewarnt. Jede noch so zufaellige Kontaktschuld durch einen der einen kennt, der einen kennt, der schon mal eine Rede von Putin gehoert hat, muss mit Sippenhaft und planloser Sanktionitis rechnen. Das bringt die Investitionslust auf den Nullpunkt, zumal es ja aufstrebende Maerkte gibt. Wer haette das gedacht? Vielleicht retten uns ja unsere Freunde jenseits des Atlantiks? Die werden doch bestimmt in der EU investieren. Milliarden werden rueberwachsen. 😉 Die EUCO-Praesidentin hat doch einen hoechstpersoenlichen Draht und bisher brav alle Befehle von jenseits des Atlantiks umgesetzt. Sogar gegen europaeische Interessen.
https://ecfr.eu/publication/the-art-of-vassalisation-how-russias-war-on-ukraine-has-transformed-transatlantic-relations/
Interessant ist uebrigens, was Suedekum sonst noch so schreibt.
“Wer diesen gefährlichen Trend stoppen bzw. verlangsamen möchte, sollte sich nicht mit generischen Forderungen nach “Strukturreformen” (Bürokratieabbau usw.) begnügen. Eine wirksame Therapie kann nur in massiven Investitionen bestehen und die kosten (auch öffentliches) Geld.”
https://x.com/jsuedekum/status/1833502168529154206
Boese, ganz ganz boese.
Skyjumper
11. September 2024 @ 20:55
„Die aus dem Ausland nach Deutschland geflossenen Direktinvestitionsströme reduzierten sich auf 15 Mrd € und damit auf etwa ein Viertel des Vorjahreswertes.“
So ein Ausschnitt aus einen Pressebericht der Deutschen Bundesbank v. 31.05.2024 zu den Kapitalflüssen in 2023. Die Zahlen aus 2022 waren übrigens auch schon nicht gut.
Skyjumper
11. September 2024 @ 13:46
„“Keine guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt: Gesamtbeschäftigung zwar stabil bei ca 46 Mio, aber De-Industrialisierung nimmt an Fahrt auf.”
Und diese Aussage darf man gerne auch als immer noch beschwichtigend bezeichnen. Zwar stimmt es, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nach wie vor stabil ist, bzw. erscheint. Doch der Anteil der Teilzeitarbeitsverhältnisse und der Anteil der Niedriglohnstellen nimmt dabei immer weiter zu, während der Anteil der gut bezahlten Fach-/Vollzeitsarbeitsplätze immer weiter abnimmt.
Die Fach-/Vollzeitarbeitsverhältnisse sind es jedoch die den Löwenanteil an Steuern (Verbrauchssteuern aussen vor), Rentenkassenbeiträgen, Krankenkassenbeiträgen etc. bezahlen. Von den Beiträgen die der Niedriglohnsektor beisteuert kann niemand leben. Und das Ende heisst regelmässig Altersarmut.
Produktion Deutschland Juli 2024 – Minus 3,7 % (Kalenderbereinigt yty). Joo: Die deutsche Lokomotive fährt immer schneller.
Die Arbeitslosenquote liegt mittlerweile wieder bei über 6 %. Und das nachdem man im Zuge der Agenda 2010 schon so ziemlich alles aus dieser Statistik rausgeworfen hat was zwar auch Arbeitslos ist, dem man aber noch irgendein anderes Etikett umhängen konnte. Zu den Statistikregeln 1990 berechnet würde die Quote mittlerweile wohl über 10 % liegen.
KK
12. September 2024 @ 01:51
Sorry, ioch muss wieder auf einen Beitrag antworten, anders gehts mal wieder nicht:
Aus dem Artikel:
„Kurz zuvor hatte Volkswagen nach 40 Jahren seine Jobgarantie aufgekündigt.“
Ich mag mich irren, aber stammt der Haustarifvertrag mit der Jobgarantie bis 2029 nicht aus 1994 – und wäre somit bereits nach 30 Jahren gekündigt worden?
Der übrigens als Gegenzug zu dieser Jobgarantie meiner Erinnerung nach deutliche Einkommenszugeständnisse der Beschäftigten beinhaltete, die VW bereits unwiederbringlich zugeflossen sind…