Muss Merkel für Macron „die Scherben aufkehren“?

Haben sich Kanzlerin Merkel und Frankreichs Macron bei einer Feier zum Mauerfall in Berlin gestritten? Ein Bericht der „New York Times“ sorgt für Aufregung – dabei könnte es sich um eine „Ente“ handeln.

„Ich bin es leid, die Scherben aufzukehren“, soll Merkel mit Macron geschimpft haben. „Immer wieder muss ich die Tassen zusammenkleben, die Sie zerbrochen haben, nur damit wir uns hinsetzen und eine Tasse Tee trinken können.“

Der Bericht der „NYT“ wurde auch in Deutschland viel zitiert, zum Beispiel hier. Dabei sei in Wahrheit alles ganz anders gelaufen, heißt es im Kanzleramt. Die Kanzlerin könne sich an keinen Streit erinnern.

War vielleicht alles nur eine gezielte „Ente“, um Deutschland und Frankreich (im amerikanische Interesse) auseinander zu dividieren? Wir wissen es nicht, wir können es auch nicht überprüfen.

Fest steht, dass der Bericht wie die Faust aufs Auge passt. Mit seinen Äußerungen zum „Hirntod“ der Nato hatte Macron zuvor das amerikanische und das deutsche Establishment gegen sich aufgebracht.

Also nehmen wir die angebliche Äußerung Merkels ‚mal einen Moment lang ernst. Was wäre denn eigentlich von der Behauptung zu halten, Merkel müsse für Macron „die Scherben aufkehren“?

Nicht viel. Neben dem Clash um die Nato gab es zwar auch Streit um die EU-Erweiterung. Macron hat den geplanten Start von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nord-Mazedonien blockiert.

Doch Paris und Berlin bemühen sich längst um eine gütliche Einigung. Der Beitrittsprozess soll reformiert werden, die beiden Balkanländer dürfen weiter auf Beitrittsgespräche hoffen.

Ansonsten ist es eher Macron bzw. Frankreich, das die Scherben der deutschen Europapolitik „aufkehren“ muß. Der krasseste Fall ist der Brexit. Merkel hat jahrelang Ex-Premier Cameron hofiert, bis es zum EU-Referendum kam.

Merkel hat den „Deal“ gebrochen

Aber auch bei der EUErweiterung war es Deutschland, das sich nicht an den vereinbarten „Deal“ mit Frankreich gehalten hat. Dem „Big Bang“ von 2004 sollte eine „Vertiefung“ der EU folgen – doch dazu kam es nie.

Genau diese „Vertiefung“, also eine tiefere EU-Integration mit mehr Finanzmitteln – hat Macron nach seiner Wahl angemahnt. In seiner Sorbonne-Rede hat er große Visionen entwickelt.

Doch es war Merkel, die ihn ausgebremst hat. Und wenn einer nun die „Scherben“ aufsammeln muß, dann ist es wohl Macron – nämlich die seiner eigenen Europapolitik

Siehe auch „Macron, der Zerstörer?“ und „Macron-Bashing ist schwer en vogue“