Mit “TTIP light” gegen China, mit Reynders gegen VW – und mit Macron gegen Erdogan

Die Watchlist EUropa vom 29. September 2021 –

Die Europäische Union und die USA setzen wieder auf Freihandel. Fünf Jahre nach dem gescheiterten TTIP-Abkommen treffen sich Vertreter der EU-Kommission und der US-Administration im Mittwoch in Pittsburgh, um ein „TTIP light“ aus der Taufe zu heben.

Der neue „Trade and Technology Council“ (TTC) soll sich auf Spitzentechnologien konzentrieren und die Abhängigkeit von China verringern.

Amerikaner und Europäer hatten die Produktion von Mikrochips, Computern und Handys jahrelang ins Reich der Mitte ausgelagert – wegen der geringeren Produktionskosten.

Unter Ex-Präsident Donald Trump begannen die USA dann, Teile der Produktion zurückzuholen und die Lieferketten neu aufzustellen.

Trumps Amtsnachfolger Joe Biden will noch weiter gehen und die Europäer ins Boot holen. Er lockt die EU mit einer Mischung aus Freihandel und High-Tech-Protektionismus.

Bei der EU-Kommission rennt Biden offene Türen ein – sie hat sich nie mit ihrer Niederlage bei TTIP abgefunden. Auch Deutschland setzt auf einen Neustart.

Frankreich wollte Aufschub

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Ganz anders sieht das Frankreich: Präsident Emmanuel Macron wollte den Start der TCC-Gespräche wegen des Streits mit den USA um U-Boot-Lieferungen an Australien verschieben.

Dass Biden Frankreich ausgebootet hat, sei auch ein Schlag gegen die EU, glaubt Macron. In Paris verweist man zudem darauf, dass Biden die noch von Trump verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium immer noch nicht aufgehoben habe.

Doch die meisten EU-Staaten wollten trotz der amerikanischen Alleingänge am Start der Handelsrunde festhalten, Macron konnte sich nicht durchsetzen.

Halbleiter und Zwangsarbeit

Beim ersten Treffen soll es nun um Halbleiter, aber auch um den Kampf gegen Zwangsarbeit gehen – ein Hinweis auf die antichinesische Stoßrichtung.

Weitere Themen im neuen Handelsrat sind die Kontrolle von technologisch sensiblen Exporten, die Überwachung bzw. Einschränkung ausländischer (sprich: chinesischer) Investitionen sowie die Künstliche Intelligenz, bei der Peking vorn liegt.

Die Idee ist, den Rückstand gegenüber China aufzuholen. Doch die EUropäer liegen auch im Vergleich zu den USA zurück. Nun begeben sich von einer Abhängigkeit in die nächste – bei den Gesprächen sitzen Facebook, Google & Co. indirekt mit am Tisch…

„Schon jetzt ist die Digitalbranche der Sektor mit den höchsten Lobby-Ausgaben in der EU. Er übertrifft sogar die mächtige Auto-, Pharma- oder Finanzlobby. Der TTC könnte die Lobbymacht von Google & Co weiter verstärken. Die Digitalindustrie fordert bei dem Gremium sogar einen Platz am Verhandlungstisch. Wir warnen vor weiterem einseitigen Lobbyeinfluss bei so brisanten Themen wie transatlantische Datenflüsse oder neuen Regeln zur Begrenzung der Macht von Plattformen über den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA).“

Max Bank, Sprecher von LobbyControl

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Watchlist

Werden nun endlich alle VW-Kunden entschädigt? Sechs Jahre nach dem Dieselskandal forderte EU-Justizkommissar Didier Reynders, VW dürfe nicht länger “auf Zeit spielen” und den Ausgang von Schadenersatzprozessen in den Mitgliedsländern abwarten. Druck machten auch die Verbraucherschutzbehörden der 27 Mitgliedstaaten. Weltweit hat der Konzern bereits mehr als 32 Milliarden Euro gezahlt. Am meisten Geld floß in die USA, die Europäer kamen zu kurz. Kein Wunder – Brüssel legte allzu lang die Hände in den Schoß…

Was fehlt

Die neue “strategische” Partnerschaft zwischen Frankreich und Griechenland. Präsident Macron und der griechische Ministerpräsident Mitsotakis unterzeichneten eine Vereinbarung über den Verkauf von drei französischen Kriegsschiffen für das griechische Militär. Die beiden Länder sicherten sich außerdem gegenseitige Unterstützung im Angriffsfall zu. Griechenland fühlt sich vor allem vom Nato-“Partner” Türkei bedroht, der von Deutschland nach Kräften gestützt wird. So toll funktioniert die Nato!