Sanktionsspirale gegen Russland: Der Verlierer heißt nicht Putin, sondern Maas


Die Watchlist EUropa vom 23. Februar 2021 –

Am Montag war Russland-Tag in Brüssel. Allerdings anders, als es sich die EU-Außenminister vorgestellt haben dürften.

Noch bevor sie über neue Sanktionen im Fall Nawlany berieten, drohte der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow bereits Vergeltung an. Neue Strafen würden nicht unbeantwort bleiben, sagte er.

Und während sich Heiko Maas und Co. im hermetisch abgeriegelten Ratsgebäude vor der wieder einmal ausgesperrten Presse versteckten, stahlen ihnen Nawalnys Berater die Show.

Im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras erklärten sie, wie die EU dem russischen Zaren Wladimir Putin „am besten“ schaden kann.

Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow forderte die Minister auf, die Regierungspartei “Einiges Russland” anzugreifen, aber auch Sanktionen gegen Kreml-nahe Oligarchen zu verhängen.

Die EU will vier unbekannte Schergen abstrafen

Eine Provokation, die allen diplomatischen Gepflogenheiten Hohn spricht. Doch sie macht mehr Eindruck als die Reisesperren gegen vier Russen, die die EU nun verhängen will.

Als mögliche Betroffene gelten Generalstaatsanwalt Igor Krasnow und Ermittlungskomitee-Chef Alexander Bastrykin. In Brüssel werden auch die Namen des Chefs des Gefängnisdienstes, Alexander Kalaschnikow, sowie des Leiters der Nationalgarde, Viktor Solotow, genannt.

Diese angeblichen „Sünder“ kennt kaum einer im Westen. Sie dürften die EU-Sanktionen locker wegstecken – und weitermachen wie bisher. Maas & Co. machen Symbolpolitik, bestenfalls. Eine Strategie lassen sie ebenso vermissen wie die „Sprache der Macht“.

Wie man es „richtig“ macht, zeigten kurz darauf die USA. Sie zielen nicht auf Schergen des russischen Regimes, sondern auf deutsche Firmen, die es noch wagen, mit Russland Geschäfte zu machen und die Gaspipeline Nord Stream 2 voranzutreiben.

USA zwingen 18 EU-Unternehmen zum Rückzug

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Nicht weniger als 18 europäische Unternehmen haben ihre Teilnahme an dem umstrittenen Projekt beendet oder ihren Rückzug zugesichert, wie aus einem am Montag bekannt gewordenen Bericht des US-Außenministeriums an den Kongress hervorgeht.

Unter den Firmen ist den Angaben zufolge der Industriedienstleister Bilfinger aus Mannheim und der zur Münchener Rück gehörende Versicherer Munich Re Syndicate Limited.

Der Verlierer des Tages ist deshalb nicht Putin, sondern Maas. Er wird von allen vorgeführt: von den amerikanischen Freunden, den russischen Nawalny-Anhängern – und den Osteuropäern, die Nord Stream am liebsten wegbomben würden.

Doch Maas machte gute Miene zum bösen Spiel, das die Haltlosigkeit der deutschen Europapolitik zeigt. Am Ende gratulierte er auch noch US-Außenminister Blinken, der bereits mit neuen Sanktionen gegen deutsche Unternehmen droht.

Blinken hatte sich per Video in das Außenminister-Treffen eingeklinkt und wurde als „bester Partner“ gefeiert…

Siehe auch „Nawalny-Berater sagen der EU, wie sie Putun „am besten“ schaden kann“

Watchlist

Wird die Zollunion mit der Türkei „modernisiert“, also ausgeweitet? Darüber will Erweiterungskommissar Varhelyi am Dienstag mit dem türkischen Handelsminister sprechen. Auf Nachfrage wollte die EU-Kommisison keine weitere Auskunft geben. Deutschland drängt schon seit langem auf eine „positive Agenda“ mit der Türkei – trotz der anhaltenden Menschenrechts-Verletzungen und hunderter politischer Gefangener. Zuletzt hatte Finanzminister Scholz zugunsten der Türkei interveniert… – Mehr hier

Hotlist

  • Ein Rapper, der gegen das Staatsoberhaupt ansingt, wird wie ein Schwerverbrecher in einer Universität festgenommen, weil er sich weigerte, eine neunmonatige Freiheitsstrafe anzutreten. Kaum ist er in Haft, legt ein anderes Gericht nach und verurteilt ihn zu weiteren zweieinhalb Jahren, da er Polizisten bedroht haben soll. Putins Russland? Erdoğans Türkei? Das Marokko von Mohammed VI.? Nein, weit gefehlt. All das geschieht dieser Tage im Spanien von König Felipe VI, schreibt die taz.Und was sagt Brüssel dazu? Nichts…
  • Frankreich sieht derzeit keine Chance für die Ratifizierung des Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der südamerikanischen Staatengruppe Mercosur. Die Gründe für ein erneutes Überdenken seien „zahlreich und drastisch“, sagte ein Mitarbeiter von Präsident Emmanuel Macron am Montag in Paris nach Angaben von Reuters. Die deutsche Wirtschaft fordert dagegen eine rasche Ratifizierung des Freihandelsabkommens. – Auch die EU-Kommission arbeitet hinter den Kulissen weiter an dem Deal. Die „Agrarzeitung“ hat mehr – leider hinter einer Paywall…
  • Die EU-Kommission will “den technologischen Vorsprung Europas ausbauen und die industrielle Basis unterstützen”. Doch ein neuer Aktionsplan zielt vor allem darauf, zivile Forschung für militärische Zwecke einzuspannen. Konkret geht es um Drohnen, Cloud und KI, wie wir in diesem Blogpost erläutern. Da fehlen eigentlich nur noch die Waffen – und fertig ist das “intelligente” Kriegsgerät! Für die ehemalige deutsche Verteidigungsminister von der Leyen sollte auch das kein Tabu sein – selbst wenn von der “Friedensunion EU” nicht mehr viel übrig bleibt...