Mit Frankreich zur Großmacht?
Als der Elysée-Vertrag am 22. Januar 1963 besiegelt wurde, sollte er die deutsch-französische “Erbfeindschaft” beenden. Nun kommt ein neuer Freundschaftsvertrag – doch er könnte Unfrieden säen.
Dafür sprechen nicht nur die zahlreichen bösartigen Fake News und bewußten Fehlinterpretationen, die Frankreichs Nationalisten-Führerin Le Pen, einige Gelbwesten sowie die AfD verbreiten.
Le Pen erklärte, der neue Kooperationsvertrag komme einer deutschen “Bevormundung” im Elsass und anderen Grenzgebieten gleich. “Deutschland zahlt, Frankreich schafft an”, heißt es dagegen bei der AfD.
Für Ärger sorgt auch das neue deutsch-französische Bekenntnis zur verstärkten Zusammenarbeit in der Außenpolitik – bis hin zur französischen Zusage, sich für einen ständigen deutschen Sitz im Uno-Sicherheitsrat einzusetzen.
Kanzlerin Merkel und Präsident Macron betonen zwar, dass die enge, auch militärische Kooperation allein dem Ziel diene, die Eigenständigkeit der EU zu stärken. Doch wozu braucht dann Deutschland einen neuen Sitz?
Müßte dann nicht die EU einen ständigen Uno-Sitz bekommen – incl. Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister, um die Finanzierung zu sichern? Wo bleiben Länder wie Italien oder Belgien, die auch Ambitionen haben?
Das Bekenntnis zum deutschen Sitz soll doch wohl eher helfen, die außenpolitische “Verantwortung” zu stärken, von der man in Berlin neuerdings so gern redet. Man könnte es auch Großmanns-Sucht nennen.
Verstärkt wird dieser Eindruck durch den deutschen Vorstoß, das Vetorecht im EU-Außenrat zu schleifen. So könnten Berlin und Paris künftig freier agieren – und “Quertreiber” wie Griechenland überstimmen.
Allerdings ist es bisher vor allem Berlin, das auf der Bremse steht. Die Möchtegern-Großmacht ist militärisch chronisch impotent; für Auslandseinsätze der Bundeswehr braucht es ein Bundestags-Mandat.
Da wundert man sich schon, dass Macron der Kanzlerin so weit entgegen kommt. Schließlich ist Merkel ihm bisher kaum behilflich gewesen – bei der Euro-Reform hat sie alle großen Visionen abgewiesen…
Den neuen Freundschafts-Vertrag diskutiere ich heute (22.1.) Abend ab 22.30h auf Phoenix mit anderen Studiogästen. Mehr Beiträge zu den deutsch-französischen Beziehungen hier
WATCHLIST:
- Was passiert bei einem globalen Eliten-Treffen, wenn große “Leader” wie Trump, May oder Macron zuhause bleiben? Dies dürfte das Weltwirtschaftsforum in Davos zeigen. Während Amerikaner, Briten und Franzosen wegen innenpolitischer Krisen abgesagt haben, setzen die Deutschen auf massive Präsenz. Angeblich wird das halbe Regierungskabinett erwartet…
WAS FEHLT:
- Eine Lösung in der Brexit-Farce. Premierministerin May präsentierte zwar am Montag die Grundzüge für einen “Plan B”. Doch die EU weigert sich, ihr auch nur einen Millimeter entgegenzukommen. Seit vergangener Woche habe sich nichts geändert, erklärte ein Sprecher von Ratschef Tusk. Zuvor hatte Irland neue, bilaterale Gespräche mit May abgelehnt.
Oudejans
22. Januar 2019 @ 11:47
>>”Man könnte es auch Großmanns-Sucht nennen.”
Herrr Bonse. Sie begeben sich jetzt bitte sofort in Ihre salle de bains, nehmen etwas savon zur Hand und lavieren sich bitte Ihre gueule.
So geht es ja nicht.
ebo
22. Januar 2019 @ 12:42
“Je ne parle pas francais” 🙂
Weissager
22. Januar 2019 @ 11:08
Die EU ist ein Verein, kein Staat. Kein Staat, kein Sitz im Sicherheitsrat. Feindstaaten auch nicht.
Peter Nemschak
22. Januar 2019 @ 11:44
Die EU ist kein Verein sondern ein Bund souveräner Staaten, der auf manchen Gebieten seine Souveränität auf supranationale Institutionen übertragen hat. Auf dem Gebiet des internationalen Handels wäre ein einzelner Staat zu schwach, um seine Interessen gegenüber den anderen Großmächten durchzusetzen. Jedenfalls hat die EU ihren Mitgliedern wirtschaftliche Vorteile verschafft, was ihre Hauptstärke ist und sie auch für Beitrittsinteressierte attraktiv macht. Die vier Freizügigkeiten haben für alle Vorteile gebracht.
Hein Tirol
22. Januar 2019 @ 07:29
Aktuell muss Merkel/Deutschland Macron/Frankreich meiden. Merkel verurteilt jeden, der mit Gewalt gegen Protestierende vorgeht. Wie wird also Merkel da jetzt reagieren? Wird sie so lange warten, bis Macron die Protestler (Gelbwesten) erledigt hat, um dann in Deutschland künftig auch so zu verfahren? Man darf gespannt sein. Übrigens ist diese Neuauflage des Freundschaftsvertrages nichts anderes, um den Friedensvertrag zu umgehen und Frankreich den Besatzerstatus zuzusichern.
Rudi Ehm
22. Januar 2019 @ 09:03
Dabei haben Sie vergessen, dass es in Deutschland jetzt ein gute und eine schlechte Gewalt gibt. Also ist das Problem für Merkel schon gelöst. Es gibt ja auch ein gutes undemokratisches Parlament bei der EU und ein schlechtes in Russland mit der Duma. Wir sind doch flexibel geworden, was Demokratie angeht.
Peter Nemschak
22. Januar 2019 @ 07:27
Warum sollte die EU dem UK entgegenkommen? Der Austritt war nicht die Entscheidung der EU. Sollen sich die Briten damit abquälen. Für eine aktive Außenpolitik braucht Deutschland keine Symbole sondern den gesellschaftlichen und politischen Willen dazu. Nachdem Frankreich gesellschaftlich zu schwach ist, wird Deutschland wohl nichts anderes übrig bleiben, als in der EU die Führungsrolle auszuüben. Seine Geschichte im 20.Jhdt. darf nicht länger als bequeme Ausrede dienen. Gestank von den politischen Rändern wird es in allen Mitgliedsländern geben. Davon darf sich die bürgerliche Elite nicht beeindrucken lassen.