Mini-Deal für Dauer-Krise – Belgien verdient an Schulden

Vier Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise haben sich vier EU-Staaten auf einen Mini-Deal geeinigt. Doch er ist nur temporär – und enthält einige Fußangeln. Das Problem der Seenotrettung bleibt ungelöst.

Nach jahrelangem Hickhack zeichnet sich eine Minimal-Lösung im Streit um die Seenotrettung im zentralen Mittelmeer ab. Vier EU-Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien und Malta – haben bei einem Treffen auf Malta verabredet, Bootsflüchtlinge künftig automatisch aufzunehmen und solidarisch zu verteilen. 

Man habe sich auf ein gemeinsames Papier verständigt, sagte der maltesische Innenminister Michael Farrugia am Montag nach Verhandlungen mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und zwei weiteren Amtskollegen. Dieses solle bei einem Innenministertreffen Anfang Oktober den anderen EU-Staaten präsentiert werden.

Details der Einigung wurden zunächst nicht bekannt. Die Minister machten jedoch klar, dass es sich um einen „temporären“ also zeitlich befristeten, Mechanismus für „Notfälle“ handeln soll. Es geht also nicht um die dauerhafte Einführung von Flüchtlingsquoten, gegen die sich vor allem Osteuropa seit Jahren sträubt.

Er sei “hoch zufrieden“, erklärte Seehofer nach der vorläufigen Einigung. Er hatte sich bereit erklärt, ein Viertel der hilfssuchenden Menschen aufzunehmen. Frankreich könnte ein weiteres Viertel übernehmen. Außerdem haben Kroatien, Finnland, Irland, Litauen, Luxemburg und Portugal ihre Beteiligung zugesagt.

Das Treffen auf Malta war lange geplant, stand jedoch unter keinem guten Stern. Hilfsschiffe mit erschöpften Flüchtlingen irrten tagelang durch das Mittelmeer, ohne einen offenen Hafen zu finden. Zudem gab es immer wieder Streit um die Frage, wo die Menschen bleiben könnten. Die Wende kam erst mit dem Regierungswechsel in Italien. 

Seit dem Abgang des rechtspopulistischen Innenministers Matteo Salvini sind die italienischen Häfen wieder offen. Die Innenminister der EU können sich nun endlich um die seit Jahren überfällige politische Lösung kümmern, statt wie bisher verzweifelt nach Häfen zu suchen und um die Aufnahme der Bootsflüchtlinge zu feilschen. 

Allerdings sind noch nicht alle Streitfragen ausgeräumt. So fordert Italien, dass auch Frankreich seine Häfen für Rettungsboote öffnet. Umstritten ist auch, ob und wie Asylsuchende von Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden werden sollen. Ob diese Probleme geklärt werden konnten, bleibt zunächst unklar. 

Zudem bleibt das Problem der Seenotrettung ungelöst. Die EU hat zwar ihre Marinemission „Sophia“ verlängert – doch sie verfügt nicht mehr über eigene Boote. Die Hauptlast bei der Rettung liegt daher immer noch bei privaten oder kirchlichen Hilfsorganisationen. Die Retter sind denn auch unzufrieden und fordern von der EU mehr Einsatz.

Mehr Einsatz ist auch im östlichen Mittelmeer gefordert, wo wieder mehr Bootsflüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland kommen. Die Flüchtlingskrise geht weiter – trotz des Mini-Deals…

Siehe auch “Die Flüchtlingsjrise schwelt weiter – nicht nur in Kroatien

Watchlist

  • War Johnsons Coup gegen das britische Parlament rechtmäßig? Darüber will am Dienstag der Supreme Court in London entscheiden. Es geht um die Zwangspause für das Unterhaus – mitten in der heißen Phase der Brexit-Verhandlungen mit der EU. Chefunterhändler Barnier sagte in Berlin, die zuletzt vorgelegten Vorschläge aus London seien inakzeptabel. Sie seien nicht geeignet, die Integrität des EU-Binnenmarkts zu schützen.

Was fehlt

  • Belgien verdient an seinen Staatsschulden. Für einen Kredit in Höhe von 588 mMillion Euros (Lauzeit: 7 Jahre) wurde ein Negativ-Zins von 0,469%. fällig, meldet “Le Soir”. Weitere 1,21 Milliarden wurden für minus 0,262% aufgenommen. Anders ausgedrückt: Der belgische Staat profitiert von seinen neuen Schulden. Er darf der EZB dankbar sein, die die Zinsen weiter drückt. Die Frage ist, warum Deutschland es nicht wie Belgien macht?
  • Die neuen (alten) Sprecher von Kommissionschefin von der Leyen. Jens Flosdorff, ihr Spindoktor, macht in Brüssel als persönlicher Berater weiter. Eric Mamer, französischer Staatsangehöriger, ist Direktor in der EU-Kommission für die Generaldirektion Binnenmarkt. Er wird Chefsprecher. Dana Spinant, rumänische Staatsangehörige, wird stellv. Chefsprecherin. Die Nominierungen kommen ca. 10 Tage später als erwartet…
  • Die Pleite beim britischen Reiseveranstalter Thomas Cook. Sie hat Großbritannien zur größten Rückholaktion der letzten Jahre veranlasst. Doch die EU, die sich gerne mit den “Rechten der Flugpassagiere” brüstet, stand tatenlos am Zuschauerrand. Die EU-Kommission hielt es nicht einmal für nötig, aktiv zu werden – und den Zehntausenden gestrandeten Touristen zu helfen…