EU folgt Meloni, Nato stoppt “Siegesplan” – und “MBS” in Brüssel

Die Watchlist EUropa vom 17. Oktober 2024 – Heute mit News und Analysen zur Asyl- und Migrationspolitik, zur ukrainischen Strategie und zu einem kontroversen Gast beim Golf-Kooperationsrat in Brüssel.

Die Festung Europa nimmt Gestalt an: Kurz vor dem EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, purzeln die letzten Tabus in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. 

Zur Debatte stehen Aufnahmelager außerhalb der EU, mehr und schnellere Rückführungen, neue Deals mit autokratisch regierten Herkunftsländern und sogar Abschiebungen nach Syrien.

Plötzlich scheint alles möglich. Europas Spitzenpolitiker machen sich Ideen und Forderungen zu eigen, die bisher nur bei Rechtspopulisten und EU-Gegnern en vogue waren. 

Das liegt nicht nur an Deutschland, das Kontrollen an allen Landesgrenzen eingeführt hat und damit kräftig am Schengen-System der Reisefreiheit rüttelt.

Lager in Albanien

Es liegt auch an Ungarn, den Niederlanden und Polen, die das Asylrecht aussetzen wollen – und an Italien, das gerade ein gefängnisähnliches Lager in Albanien eröffnet hat.

Die rechtslastige Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte bereits 2023 einen Deal mit Albanien ausgehandelt. Demnach soll die Bearbeitung von Asylanträgen künftig in Albanien erledigt werden. Die Zentren werden nach italienischem Recht und mit italienischem Personal betrieben. 

Das erste Lager liegt auf einem ehemaligen Militärstützpunkt im rund 20 Kilometer vom Hafen Shengjin entfernten Ort Gjader. Am Mittwoch kamen die ersten Migranten – 16 Männer aus Bangladesch und Ägypten – in Shengjin an. Ein fragwürdiges Experiment. 

Von der Leyen will mehr

___STEADY_PAYWALL___

Menschenrechtler sprechen von einem „italienischen Guantánamo“. Juristen verweisen auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die Asylverfahren außerhalb der EU eigentlich nicht zulassen.

Doch nun könnte das umstrittene „Modell“ Schule machen. Italien und Ungarn haben vorgeschlagen, es auf die gesamte EU auszuweiten und weitere „Return hubs“ zu bauen, zum Beispiel in Afrika. 

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat die Idee bereits aufgegriffen. Sie sprach sich für Abschiebezentren außerhalb der EU „als möglichen Weg vorwärts“ aus. Als Beispiel nannte sie ausdrücklich das neue Lager in Albanien…

Siehe auch Albanien eröffnet Asyllager – EU eröffnet Beitrittsgespräche

News & Updates

  • Selenskyjs “Siegesplan” überzeugt nicht mal die Nato. US-Präsident Biden ließ ihn höflich abblitzen. Nun hat auch Nato-Chef Rutte den sog. Siegesplan des ukrainischen Präsidenten Selenskyj gelesen – und verworfen. Natürlich sei der Plan “ein starkes Signal”, sagte Rutte. “Das bedeutet nicht, dass ich hier sagen kann, dass ich den ganzen Plan unterstütze”, erklärte er in Brüssel. “Das wäre etwas schwierig, da es viele Punkte gibt, die wir besser verstehen müssen.” Zu den öffentlich bekanntgemachten Teilen des Plans gehört eine umgehende Einladung zum Nato-Beitritt. Doch die will Biden nicht, Kanzler Scholz übrigens auch nicht. – Siehe auch “Niederlage mit dem Siegesplan
  • Israel schießt gegen Frankreich (bisher noch verbal). Nach dem Ausschluss israelischer Firmen von einer Militärmesse in Paris hat Verteidigungsminister Gallant der Regierung in Frankreich vorgeworfen, eine “feindliche Politik gegen das jüdische Volk” zu führen. Zuvor hatten sich schon Premier Netanjahu und Präsident Macron verbal bekriegt. Gegen Gallant wird vom ICC wegen möglicher Kriegsverbrechen ermittelt.
  • Milliardenkredit für die Ukraine auf der Kippe. Der EU-Gipfel soll den geplanten Kredit von bis zu 35 Mrd. Euro für die Ukraine absegnen. Doch es gibt immer noch Zweifel. Nicht nur Ungarns Regierungschef Orban steht auf er Bremse. Offen ist auch, ob Noch-Präsident Biden bereit ist, seinen “fair share” zu übernehmen. – Mehr im Blog

Das Letzte

Bin Salman, ein gern gesehener Gast in Brüssel. Das darf doch nicht wahr sein: Zu einem seiner letzten EU-Gipfel als Ratspräsident hat der frühere belgische Premier Charles Michel den saudiarabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman eingeladen. Grünen-MEP Daniel Freund nannte es “zutiefst verstörend”, dass Europas Spitzenpolitiker einem Mann die Hände schüttelten, an denen das Blut des 2018 ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi klebe. Mit seiner Kritik stand er aber ziemlich allein. Merke: Wenn es ums (politische) Geschäft geht – in diesem Fall der erste Gipfel mit dem Golf-Kooperationsrat -, kann auch ein Mörder ein gern gesehener Gast in Brüssel sein! Übrigens auch bei von der Leyen (siehe unten)

Mehr Newsletter hier