Metsola beerbt Merkel, Baerbock streckt die Waffen – und Wieland geht in die Vollen

Die Watchlist EUropa vom 18. Januar 2022 –

Christdemokraten und Konservative in EUropa sind auf dem Rückzug. Nach dem Machtverlust von Kanzlerin Merkel in Deutschland führen sie nur noch kleine Länder wie Österreich oder Griechenland. Die einst stolze Europäische Volkspartei (EVP) ist bloß noch ein Schatten ihrer selbst.

Doch ausgerechnet im Europaparlament ist alles anders. Dort schicken sich die Konservativen unter Leitung von Fraktionschef Weber (CSU) an, die Führung zu übernehmen. Zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der Legislatur, so hatten es die großen Fraktionen vereinbart, darf die EVP ans Ruder.

Roberta Metsola heißt die EVP-Kandidatin für die Nachfolge von Parlamentspräsident David Sassoli, der letzte Woche überraschend gestorben war. Die 43-jährige erzkonservative Politikerin aus Malta wurde auf Druck der deutschen Abgeordneten aus CDU und CSU aufs Schild gehoben. Ihre Wahl am Dienstag gilt als sicher.

Grüne, Linke und Rechtskonservative haben zwar eigene Kandidaten aufgestellt. Doch gegen Metsola und die EVP haben sie keine Chance. Denn Sozialdemokraten und Liberale haben sich mit der EVP verbündet, um eine „proeuropäische“ Mehrheit zu sichern. Die Grünen sind raus, die Linken sowieso.

Die Machtbalance kommt ins Rutschen

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Die Merkel-Partei übernimmt ausgerechnet in dem Moment, da die Ära Merkel vorbei ist. Ins Rutschen kommt auch die Machtbalance in den EU-Institutionen. Bisher haben sich Konservative, Sozialdemokraten und Liberale die Führung in EU-Kommission, Parlament und Rat untereinander aufgeteilt.

Künftig könnte die EVP jedoch eine dominierende Stellung einnehmen: Mit Metsola an der Spitze des Parlaments, Ursula von der Leyen (CDU) als Chefin der Kommission sowie weniger bekannten EVP- und CDU-Politikern in Einrichtungen wie dem Rechnungshof, dem Euro-Stabilitätsfonds oder diversen EU-Agenturen.

Nur der Rat, die Vertretung der Mitgliedsstaaten, würde künftig noch von einem Liberalen – dem Belgier Charles Michel – geführt. Und nur der Außenvertreter – der Spanier Josep Borrell – ist Sozialdemokrat. Ansonsten wird die EU schwarz.

Steigbügelhalter oder Königsmacher?

Die Sozialdemokraten wollten dies verhindern. Doch dann hätten sie die Absprachen von 2019 brechen müssen. Außerdem wollten die Liberalen nicht mitziehen. Sie haben sich lieber auf die Seite der EVP geschlagen.

Allerdings will sich Renew nicht als Steigbügelhalter der EVP sehen – sondern eher als „Königsmacher“. Dank der Liberalen sei die ewige große Koalition zwischen EVP und Sozialdemokraten aufgebrochen worden, heißt es selbstbewußt.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere Teil ist nicht so glänzend. Mit freundlicher Unterstützung der Liberalen kann nun eine erzkonservative Politikerin wie Metsola das Erbe von Merkel antreten.

Und CDU/CSU, die zuhause in Deutschland abgewirtschaftet haben, können sich in Brüssel und Straßburg regenieren – mit freundlicher Unterstützung der FDP…

Siehe auch Rechtsruck mit Metsola (und den Liberalen)

P.S. Dank des neuen Bündnisses aus EVP, Liberalen und Sozialdemokraten konnte sich Metsola mit 458 von 616 abgegebenen Stimmen schon im ersten Wahlgang durchsetzen.

Watchlist

Wie wird sich Außenministerin Baerbock in Moskau schlagen? Ihr Antrittsbesuch am Dienstag findet unter denkbar ungünstigen Umständen statt. Einerseits fordert die Grünen-Politikerin „Härte“ gegenüber Russland; im Konflikt um die Ukraine will sie nicht nachgeben. Andererseits hat sie am Montag bei einem Besuch in Kiew die Waffen gestreckt. „Die Haltung der deutschen Regierung mit Blick auf Waffenlieferungen ist bekannt und ist auch in unserer Geschichte begründet“ sagte sie – sehr zur Enttäuschung der Hardliner in Berlin und Washington. Muss sie nun in Moskau umso härter auftreten?

Was fehlt

Das teuere Hobby des Europaabgeordneten R. Wieland. Der CDU-Politiker ist Fan von modernen Büros voller High-Tech – und hat sich ein solches kurzerhand im Brüsseler Parlamentsgebäude einrichten lassen. Zu dem Büro selbst, dessen Renovierung mit exakt 486 011,66 Euro zu Buche schlug, kommen noch die Ausgaben für einen sogenannten „Showroom“ für 203 978,50 Euro, meldet die „Stuttgarter Zeitung“. Das riecht nach Verschwendung von Steuergeldern. Doch Wieland fühlt sich über jede Kritik erhaben – er will sich am Dienstag erneut zum Vizepräsidenten des Parlaments wählen lassen…