Merz und die Notlage, Selenskyj und das Gas – und Mullahs loben Macron

Die Watchlist EUropa vom 29. August 2024 – Heute mit News und Analysen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik, zur Energiepolitik und zur Digitalpolitik à la francaise.

Neun Jahre nach der großen Flüchtlingskrise 2015 steht der EU eine neue Migrationsdebatte ins Haus. Kein einziges Problem wurde seither gelöst – trotz der großen Versprechen vor der Europawahl.

Nun fordert Oppositionsführer Merz schärfere Gesetze. Nach dem Attentat von Solingen müssten die EU-Regeln müssten auf den Prüfstand, im Zweifel solle Kanzler Scholz den “nationalen Notstand” ausrufen.

Doch wer schnelle Lösungen erwartet, wird enttäuscht. Kommissionspräsidentin von der Leyen hielt es bisher nicht einmal für nötig, auf die Forderungen ihres Parteifreunds Merz einzugehen. Sie verweist auf das Arbeitsprogramm für die neue Kommission.

EU-Reform kommt zu spät

Von der Leyen verspricht darin, die umstrittene EU-Grenzschutzagentur Frontex auszubauen und die Zahl der Grenzschützer auf 30.000 zu verdreifachen. Sie kündigt auch einen „neuen Ansatz für Rückführungen“ von nicht anerkannten Asylbewerbern an.

Doch wann und wie das umgesetzt werden soll, ist unklar. Die nächste EU-Kommission dürfte erst im November ihre Arbeit aufnehmen, neue Gesetze brauchen Jahre. Selbst der noch kurz vor der Europawahl eilig verabschiedete Migrationspakt tritt erst 2026 in Kraft – zu spät.

Und was ist mit der „nationalen Notlage“, die Merz ausrufen will, um EU-Regeln zu umgehen? Bisher sei völlig unklar, was der CDU-Chef damit meint, heißt es in Brüssel. Die deutschen Grenzkontrollen könnten schon jetzt verlängert werden, wenn dies gut begründet wird.

Keine Lösung aus Brüssel

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Am Asylrecht und an der Genfer Flüchtlingskonvention werde man jedoch nicht rütteln, heißt es im Ministerrat. Auch eine Reform der Dublin-Verordnung steht nicht zur Debatte. Diese Verordnung, die die Bearbeitung von Asylanträgen regelt, steht zwar schon seit Jahren in der Kritik.

Doch Solingen sei ein schlechtes Beispiel. Schließlich hätten die deutschen Behörden die EU-Fristen für die Rückführung des fraglichen Asylbewerbers und späteren Terroristen nach Bulgarien nicht eingehalten.

Deutschland sollte sich daher an die eigene Nase fassen, statt den Fehler bei der EU zu suchen. Die Lösung sollte man in Brüssel aber auch nicht suchen – denn von der Leyen hat auch keine.

Wenn sie eine suchen sollte, müsste sie sich mit der Rolle Deutschlands auseinandersetzen. Spätestens seit 2015 wirkt das größte EU-Land wie ein Magnet auf Migranten; echte Reformen hat Berlin immer abgeblockt…

Siehe auch Flüchtlingskrise: Mehr Grenzschützer, mehr Abschiebung, aber keine Lösung und Innere Sicherheit: Terrorgefahr wächst, Schengen steht auf der Kippe

News & Updates

  • Ukraine dreht Gashahn für die EU zu. Die Ukraine will künftig kein russisches Gas mehr nach Europa leiten. “Es ist vorbei”, sagte Präsident Selenskyj. Den Kürzeren ziehen nun Österreich, Ungarn und die Slowakei, die immer noch russischen Gas aus der ukrainischen Pipeline erhalten. Auf sie kämen nun höhere Kosten zu, warnt Moskau. In Wien geht man von einem Anstieg der Endkundenpreise um zehn bis 20 Prozent aus. Die EU tut nichts dagegen – sie steht ja hinter der Ukraine…
  • Die EU boykottiert ihr Mitglied Ungarn. Statt wie geplant in Budapest treffen sich die EU-Außenminister am Donnerstag in Brüssel zu ihrem informellen “Gymnich”-Meeting. Zu dem Boykott hatte “Chefdiplomat” Borrell aufgerufen – weil Ungarns Regierungschef Orban es gewagt hatte, es im Ukraine-Krieg mit Diplomatie in Kiew, Moskau und Peking zu versuchen! Statt über eine Verhandlungslösung wollen Baerbock & Co. nun über die weitere Aufrüstung der Ukraine reden – mehr dazu hier.
  • Berlin und London mögen sich wieder. Vier Jahre nach dem Brexit wollen Deutschland und Großbritannien wieder enger zusammenarbeiten. Als Kitt dient vor allem die Ukraine – bis zum Sieg über Russland? Präsident Selenskyj hatte zuletzt wieder große militärische Pläne verkündet. Deutsche und britische Panzer spielen dabei eine wichtige Rolle… – Mehr hier

Das Letzte

Die iranischen Mullahs loben Macron. Dies berichtet Fefe in seinem Blog. Es geht um die Verhaftung von Telegram-Chef Durow in Paris. Das hat bei den religiösen Hardlinern in Teheran offenbar mächtig Eindruck gemacht. Derweil meldet der “Canard Enchainé“, dass Durow auf Einladung von Macron nach Paris gekommen sei – nur, um dann verhaftet zu werden. Wenn das stimmen sollte, dürften die Gäste im Elysée-Palast bald rar werden… Mehr hier

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