Erst Wahl, dann Farce

Die Europawahl wird doch keinen demokratisch legitimierten Kommissionschef bringen – jedenfalls nicht sofort. Merkel beharrt auf dem Vorschlagsrecht des Rats und warnt, die Auswahl des Barroso-Nachfolgers könne Wochen dauern. Werden wir um unsere Wahl betrogen?

Der Gewinner der Europawahl soll – so will es jedenfalls das Europaparlament – die Brüsseler Behörde führen. Nach Stand der Dinge wäre dies SPD-Mann Schulz oder sein konservativer Rivale Juncker, der vom Merkel-Lager unterstützt wird.

Doch Merkel legt sich nicht fest. Sie verweist auf den EU-Vertrag, der den 28 Staats- und Regierungschefs der EU das Vorschlagsrecht einräumt. Die Chefs müssen, so ihre Interpretation, das Wahlergebnis nur „berücksichtigen“.

Und dabei gelte es viele Fragen zu prüfen: Verfügt der Wahlsieger auch über eine Mehrheit im Europaparlament? Passt er ins Brüsseler Personalpaket, zu dem neben dem Kommissionschef auch ein neuer Ratspräsident und ein neuer Außenvertreter (oder eine Vertreterin) gehören?

Vor allem aber – und hier wird es heikel – ist der Wahlsieger auch für alle 28 EU-Chefs akzeptabel? Zum Beispiel für den Briten Cameron, der aus seiner Abneigung für Schulz und Juncker kein Hehl macht?

Merkel sagt es zwar nicht laut, doch hier deutet sich ein massiver Konflikt an. Ratspräsident Van Rompuy hat schon durchblicken lassen, dass die Chefs Bedenken gegen den Primat des Europaparlaments – und der Wähler – haben.

Gabriel warnt vor „Volksverdummung“

Es drohe eine massive „Volksverdummung“, warnte daraufhin SPD-Chef Gabriels. Er fürchtet einen Hinterzimmer-Deals der EU-Chefs, bei dem sein Kandidat Schulz durchs Rost fallen könnte.

„Ich kann nur jeden davor warnen, das überhaupt zu probieren. Dann können wir die nächste Europawahl absagen“, wetterte Gabriel. Denn die Bürger, die im guten Glauben zur Wahl gehen, endlich einmal den nächsten Kommissionschef wählen zu können, würden so getäuscht.

Leider spricht manches dafür, dass dieser Wahlbetrug längst beschlossene Sache ist. Jedenfalls häufen sich die Indizien dafür in Brüssel…

Mehr morgen in Teil 2: Die Tricks der EU-Chefs – siehe auch meine aktuelle Umfrage