Merkels verdiente Niederlage

Das Ziel war schon tief gesteckt: Beim EU-Gipfel wollte Kanzlerin Angela Merkel bloß noch erreichen, dass ihr Spitzenkandidat Manfred Weber in die nächste Runde kommt. Selbst das ist nicht mehr sicher.

Zuletzt hat Merkel nicht einmal mehr Webers Namen erwähnt. Derweil erklärte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, dass die Spitzenkandidaten aus dem Rennen seien.

Die Gespräche hätten gezeigt, dass neue Namen vorgeschlagen werden müssten, erklärte Macron am Freitag nach dem Ende des EU-Gipfels in Brüssel.

Ob das das endgültige Aus für Weber bedeutet, ist noch nicht klar – zumindest im Europaparlament hat der CSU-Mann immer noch Anhänger, vor allem bei den Realo-Grünen.

Klar ist jedoch, dass Merkel eine schwere taktische Niederlage erlitten hat. Sie hat sich für einen Politiker verkämpft, den nicht einmal jeder vierte Deutsche kennt – und eine Mehrheit ablehnt.

„C’est une belle victoire pour Emmanuel Macron et une défaite en rase campagne pour Angela Merkel.“ 

Jean Quatremer, „Libération“

Die Klatsche ist verdient. Denn Merkel hat ihr Blatt überreizt. Sie hat ein Powerplay um die Macht in der EU eröffnet, obwohl viele Länder ohnehin schon über „deutsche Dominanz“ klagen.

Sie hat die Feindseligkeiten eröffnet, ohne selbst eine passable europapolitische Bilanz vorweisen zu können. Merkel steht in Brüssel nur noch für den Status Quo, alle Reformen hat sie verhindert.

In das Rennen um die Topjobs ist sie zudem mit einem B-Team eingestiegen. Manfred Weber und Jens Weidmann spielen bestenfalls in der Regional- bzw. Bundesliga, nicht in der Champions League.

Ihre Wahl war zu allem Überfluss auch noch der deutschen Innenpolitik geschuldet. Merkel war zu schwach, um im Streit mit der CSU Nein zu sagen – dabei war sie selbst nie von Weber überzeugt.

Spätestens nach der Europawahl, die nicht nur in Deutschland wie ein politisches Erdbeben wirkte, hätte sie umdenken und umsteuern müssen. Doch sie hielt am falschen Kurs fest.

Das rächt sich nun. Die große Koalition in Berlin wackelt , in Brüssel ist sie schon zerbrochen. Das politische System der EU befindet sich im Umbruch, doch Merkel will es nicht wahrhaben…

Siehe auch „Weber wankt, Weidmann winkt“ und „Das wären die Besten“

P.S. Bei ihrer Pressekonferenz erweckte Merkel den Eindruck, als habe sie mit dem ganzen Spitzenkandidaten-Theater nichts zu tun. Den Namen Weber erwähnte sie nur nach mehrmaligem Nachfragen der Journalisten. Sie werde nun mit ihm sprechen, sagte sie – vielleicht um zu erklären, dass es leider nichts geworden ist?