Fehlstart für Merkel III.

Bei ihrem ersten EU-Gipfel der dritten Amtszeit musste Kanzlerin Merkel eine schwere Niederlage einstecken. “European Leaders say No to more German Bondage”, titelte das “Wall Street Journal”. Praktisch alle Partner hatten Merkels “Reformverträge” abgelehnt. Wie konnte das passieren? 

Eigentlich sollte man glauben, Merkel sei auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie stützt sich auf ein hervorragendes Wahlergebnis und eine große Koalition, die bis nach Brüssel reicht (“siehe “Ganz große Koalition”).

Doch ausgerechnet einen Tag nach Beginn ihrer 3. Amtszeit ging alles schief. Merkels Lieblingsreform, die alle Euroländer zu einer Agendapolitik nach deutschem Muster verpflichten soll, stieß auf harten Widerstand.

Nicht nur Frankreich und Italien stellten sich Merkel III. entgegen (“Nummer zwei und drei mucken auf”). Auch Österreich, Finnland und die Niederlande – Merkels traditionelle Alliierte – sagten nein.

Die einen fordern mehr finanzielle Solidarität, die anderen wollen nicht zahlen, wieder andere (wie Spanien und Portugal) lehnen neue Auflagen à la Troika ab. Alle zusammen blockierten ein neues deutsches Diktat.

Merkel muss deshalb außer sich gewesen sein. Schon im Bundestag hatte sie geschimpft wie ein Rohrspatz. Die EU-Staaten sollten endlich ihren Widerstand gegen eine Vertragsänderung aufgeben, sagte sie.

Auf dem Gipfel wurde sie noch deutlicher: Ohne Reformen werde die Gemeinschaftswährung “früher oder später explodieren”, zitiert “Le Monde” die Kanzlerin. Es klingt wie eine Drohung.

Doch sie hat nicht verfangen – die zu “Partnerschaftsverträgen” aufgehübschten neuen deutschen Fesseln wurden auf Oktober 2014 vertagt, also auf die Zeit nach der Europawahl.

Wie ist dieser Schwächeanfall der “eisernen Kanzlerin” zu erklären? In Berlin führt man es gemeinhin auf den mangelnden Reformdruck zurück. Ohne die Peitsche der Märkte passiere nichts.

Doch das greift zu kurz. In Wahrheit ist es ein ganzes Bündel von Motiven, das Merkel ausgebremst hat und ihre Macht dauerhaft schmälern könnte.

Zum einen sind viele EU-Chefs schlicht sauer, dass Merkel die Agenda ständig nach ihrem Gusto umwirft. Statt deutscher “Reformverträge” stand eigentlich eine umfassende Euro-Reform an.

Zum zweiten bricht gerade Berlin (un-)heimlicher Führungszirkel zusammen. Die Niederlande und Finnland stecken in der Rezession, sie ziehen nicht mehr – wie bisher – gefolgsam mit.

Zum dritten passt vielen die ganze Richtung nicht. Immer nur Wettbewerbsfähigkeit, immer nur neoliberale Reformen, neue Vertragsänderungen und noch mehr Disziplin – das stinkt vielen, zu Recht.

Zudem macht sich nun der Unmut über das deutsche Europa Luft: deutscher Euro plus Pakt, deutscher Fiskalpakt, deutscher ESM (mit deutschem Chef), deutsche Bankenunion (die sogar dem “Standard” stinkt)

Auf Merkel III. kommen schwere Zeiten zu. Ich würde derzeit keinen Cent darauf wetten, dass ihre “Partnerschaftsverträge” 2014 in Kraft treten. Schon gar nicht, wenn sie Wahlkampfthema werden 🙂

Siehe zu diesem Thema auch meinen Hintergrund in der taz: “Alle gegen die ‘eiserne Kanzlerin'”

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