Merkel redet, Michel rechnet, Erdogan handelt

Was bleibt von der EU-Politik der letzten Woche? Kanzlerin Merkel outet sich als überzeugte EUropäerin, Ratspräsident Michel geht auf die „Geizigen Vier“ zu – und die Eurogruppe bekommt einen neuen Chef. Zudem gab es noch zwei Überraschungen.

Was für eine Woche! Nach viermonatiger Corona-Pause kam Kanzlerin Merkel nach Brüssel (mit Maske!), um ihr Programm für den deutschen EU-Vorsitz vorzustellen. Sie outete sich als überzeugte EUropäerin und bekannte sich zu den Grundwerten, was Optimisten als Angriff auf Ungarns Orban und andere Autokraten werteten.

Doch in der Sache hat sie sich keinen Millimeter bewegt. Kein Kompromiß-Vorschlag zum umstrittenen Wiederaufbau-Plan, kein Rechtsstaats-Mechanismus, kein Fortschritt beim „Green Deal“. Merkel machte eher einen Schritt zurück – und forderte gemeinsam mit dem Niederländer Rutte neue Reformauflagen für Krisenländer.

Auch Ratspräsident Michel hat das Eis nicht gebrochen. Er legt zwar am Freitag neue Vorschläge vor, mit denen er in den EU-Gipfel am 16. Juli gehen will. Doch sie haben keinen überzeugt. Michel ist vor allem auf die „Geizigen Vier“ zugegangen, außerdem hat er eine Notreserve für den Brexit vorgeschlagen. So what?

Eine Überraschung kam von der Eurogruppe. Der Ire P. Donohoe übernimmt die Leitung des informellen Gremiums – und nicht die Spanierin N. Calvino, die vor der Entscheidung als Favoritin galt. Das führt nun zu bösem Blut in Spanien und wirft die Frage auf, wer hier „Foul“ gespielt hat. Kein gutes Omen für den EU-Gipfel!

Am späten Freitag kamen dann noch zwei Überraschungen: Bulgarien und Kroatien wurden in den Vorhof des Euro eingelassen – sie sind nun nun Teil des Wechselkursmechanismus WKM II. Die Teilnahme am WKM II ist Voraussetzung für eine spätere Mitgliedschaft in der Währungsunion. Hat irgend jemand gejubelt?

Zudem gab die EU knapp 500 Millionen Euro für die Flüchtingshilfe in der Türkei frei. Die Nachricht kam fast zeitgleich mit der Entscheidung, die Hagia Sophia künftig wieder als Moschee zu nutzen. Schlechtes Timing, würde ich sagen – denn einen Tag zuvor hat dass Europaparlament genau davor gewarnt.

Sultan Erdogan setzt die Restauration des Osmanischen Reichs ungebremst fort – und nimmt keinerlei Rücksicht mehr auf die EU und die UNESCO, die nicht einmal vorab konsultiert wurde. Die UNESCO hat immerhin noch protestiert, aus Brüssel war nur lautes Schweigen zu vernehmen. Wie üblich…