Merkels Hidden Agenda
Kanzlerin Merkel möchte nicht die Führerin der freien Welt sein, sagte sie in Mexiko. Gut so, denn Deutschland war und ist keine Weltmacht. Doch was plant Merkel für EUropa? Ein Blick in ihre Hidden Agenda.
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Will sich Merkel dem neuen französischen Präsidenten Macron in die Arme werfen? Will sie die Scherben kitten, die sie mit ihren Alleingängen in der Griechenland- und Flüchtlingspolitik angerichtet hat?
Plant sie gar, Europa von den USA zu emanzipieren, um als große Europäerin in die Geschichte einzugehen? Schön wär’s. Doch mit dem Schicksal hat es Merkel nicht so, das ist nur ‚was fürs Bierzelt.
Und für die EU kann sie sich auch nach 12 Jahren an der Macht nicht begeistern. Ihr „Geheimplan für Europa“, über den die FAZ berichtet hat, ist eher ein Plan für Deutschland; große Visionen enthält er nicht.
Dennoch müssen wir uns auf neue Kehrtwenden gefasst machen. Vor allem in der Türkei-Politik und beim Brexit dürfte es Überraschungen geben. Hier die „Hidden Agenda“, die Merkel nach der Wahl umsetzen will:
Auch der Euro soll deutsch sprechen
Frankreich / Eurozone: Man sollte sich vom herzlichen Empfang für Macron nicht täuschen lassen. Während Merkel dessen Amtsvorgänger Hollande allein im Regen stehen ließ, versucht sie diesmal die Umarmungstaktik.
Als Erfolg kann sie schon verbuchen, dass Macron sich für Vertragsänderungen ausgesprochen hat. Denn damit kann der Fiskalpakt (den Hollande noch killen wollte) ebenso ins EU-Recht eingehen wie die Pflicht zur Strukturreformen.
Beides wird Macron wohl schlucken müssen, wenn er seinen Euro-Finanzminister und ein Euro-Budget durchsetzen will. Hilfe aus dem neuen Budget dürfte es nur unter strikten deutschen Konditionen geben.
Last but not least will Merkel auch noch die EZB auf Kurs bringen: Bundesbank-Präsident Weidmann soll den Chefposten in Frankfurt übernehmen. Damit würde auch die Geldpolitik „deutsch sprechen“.
Berlin will den Exit vom Brexit
Großbritannien / Brexit: Merkel hat sich nicht mit dem EU-Austritt der Briten abgefunden. Schließlich waren sie bis zum Brexit-Referendum der wichtigste Partner Deutschlands – vor Frankreich.
Dass der Brexit verschleppt wurde und Premierministerin May nun auch noch eine Wahlschlappe eingefahren hat, kommt Berlin sehr zu pass. Damit eröffnet sich die Chance auf einen „Exit vom Brexit“.
Das sagen Merkel-Vertraute wie der Europaabgeordnete Brok schon ganz offen. Gleichzeitig nimmt die Kanzlerin May in die Zange. Mit Zeitdruck und übertriebenen finanziellen Forderungen soll sie weich gekocht werden.
Schützenhilfe leisten diverse deutsche Initiativen, die die Briten zum Bleiben auffordern. Verkauft wird das als solidarische Geste – doch dahinter steht auch eine knallharte deutsche Machtpolitik.
Neue Geschäfte mit dem Sultan
Türkei / EU-Beitritt: Kurz vor der Bundestagswahl spricht Merkel wieder mehr von Menschenrechten. Hinter den Kulissen tut sie jedoch alles, um eine Ende der Beitrittsverhandlungen zu verhindern.
Dabei verfolgt die Kanzlerin offenbar zwei Ziele: Zum einen will sie Sultan Erdogan nicht reizen – er könnte sonst ja die Grenzen öffnen, was kurz vor der deutschen Wahl ein GAU für Berlin wäre.
Zum anderen geht es um strategische und um wirtschaftliche Interessen. Strategisch will Merkel verhindern, dass Erdogan noch enger mit Russland zusammenarbeitet – es soll keine „Achse“ geben.
Wirtschaftlich geht es darum, die Zollunion mit der Türkei auszuweiten. Kommissionschef Juncker bereitet dies bereits vor; 2018 darf man mit Ergebnissen rechnen, die deutsche Exporte erleichtern.
Vorsicht, Merkiavellismus!
Fazit: Man sollte sich von der neuen Bescheidenheit der Kanzlerin ebenso wenig täuschen lassen wie von ihren Bierzelt-Sprüchen. Sie will das Schicksal EUropas noch mehr in deutsche Hände legen.
Gleichzeitig will sie verhindern, dass Deutschland dafür zahlen muss. Vor allem mit Frankreich dürfte es deshalb noch Streit geben. Denn Macron fordert mehr Europa – und mehr Geld. Nicht nur, aber auch von Berlin.
Noch macht Merkel gute Miene zum französischen Spiel. Doch nach gelungener Wiederwahl dürfte sie sich wieder in „Merkiavellismus“ (U. Beck) üben – und das deutsche EUropa weiter ausbauen!
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Susanne
12. Juni 2017 @ 21:46
Mir ist leider vollkommen unklar, wohin Merkel uns treiben will…mir ist klar, welche Haftungen diese uns bereits aufgebürdet hat. Mir ist auch klar, dass diese Frau gerne ein Wahlprogramm Raute hat, Herr Nemschak es als Wille zur Macht deutet …Schäuble machte aus ihr einen kleinen Bismark.
Demokratie, eu, Bismark und der Wille zur Macht sind so viele verschiedene Stiefel. Gerade die eu zieht sich all diese an … und versagt, weil sie dem Wähler nichts davon bietet. Das Volk hat Badelatschen, die eu läuft auf Stöckelschuhen, immer höher werden die Absätze…und der Bruch war schon. Aber, man stöckelt weiter über seinen roten Teppich, denn der Wille zur Macht ist ungebrochen.
Peter Nemschak
12. Juni 2017 @ 07:44
Endlich jemand, der das Wesen der Macht begreift und damit Politik macht. Die EU als Bund von Staaten ist dafür strukturell nicht aufgestellt und kann keine Machtpolitik betreiben. Kein Wunder, dass es der stärkste Nationalstaat in der Gemeinschaft in die Hände nimmt – ob mit Erfolg, wird die Geschichte zeigen. Will Deutschland erfolgreich sein, wird es auf dem Weg Kompromisse eingehen müssen. Wer es anders will, müsste die EU als Bundesstaat organisieren und die bestehenden Nationalstaaten auf Länderebene zurückstufen, was politisch illusorisch ist, möglicherweise auf wirtschaftlicher Ebene in fernerer Zukunft gelingen mag.