Merkel hält alle zum Narren
Wieder tagt die Eurogruppe, wieder geht es um die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds am Griechenland-Programm. Dabei läuft es in drei Monaten aus. Jahrelang lief der Bailout ohne den IWF – Kanzlerin Merkel hat ihr Versprechen gebrochen.
Ohne den IWF werde es kein neues Hilfsprogramm geben, erklärte Merkel im Krisensommer 2015. Dabei wollte die griechische Linksregierung um Premier Tsipras die ungeliebten Aufseher aus Washington eigentlich loswerden.
Auf Druck aus Berlin blieben sie dann doch – aber eben nur als Aufseher, nicht als aktive und vor allem zahlende Teilnehmer am dritten Bailout. Denn Merkel war nicht bereit, die zentrale Bedingung des IWF zu erfüllen: eine Umschuldung.
Genau darum geht es nun wieder beim Treffen der Eurogruppe. Es sei die letzte Chance für einen Einstieg des IWF, heißt es in Brüssel. “IMF makes final effort for a debt deal”, meldet Kathimerini. Doch Berlin stellt sich wieder quer.
Diesmal geht es vor allem um schrittweise, an das Wachstum gebundene Schuldenerleichterungen. Washington und Paris wollen sie automatisch auslösen, nach klaren Regeln. Berlin will jedesmal den Bundestag beteiligen.
Damit würde Deutschland aber auch die politische Kontrolle über die griechischen Schulden behalten – und sogar noch nach dem Ende des Bailouts die erzwungenen Kürzungen und Reformen überwachen.
Wie der Streit ausgeht, ist unklar, optimistisch ist man in Brüssel nicht. Fest steht aber schon jetzt, dass Merkel alle zum Narren gehalten hat: den IWF, Griechenland und den Bundestag. Denn dem wurde ja eine IWF-Beteiligung versprochen.
Sie sollte sogar unerlässliche Grundbedingung für jedes Hilfsprogramm sein. Nun ist davon keine Rede mehr. Im Gegenteil: Merkel würde den IWF gern loswerden – und durch einen willfährigen Europäischen Währungsfonds ersetzen.
Doch auch der EWF kommt nicht voran – denn Berlin stellt bei der Reform des Euro-Rettungsfonds ESM dieselben Bedingungen: Jede Hilfe soll vom Bundestag abgenickt werden, Berlin will die volle Kontrolle behalten.
Dass wir einen neuen SPD-Finanzminister haben, ändert daran offenbar nichts…
WATCHLIST:
- Merkel in China, Macron in Russland: Bahnt sich da eine Annäherung an? Sehen sich die beiden EU-Politiker womöglich gar nach Alternativen zum feindseligen “Partner” USA um? Das wäre wohl zu viel verlangt, vor allem von Merkel…
WAS FEHLT:
- Klarheit beim EU-Budget. Das Europaparlament wirft Haushaltskommissar Oettinger (CDU) vor, mit geschönten Zahlen zu arbeiten und ab 2021 größere Einschnitte zu planen. So soll die Agrarförderung nicht um 5, sondern um rund 15 Prozent gekürzt werden. Strukturschwachen Regionen müssten Einschnitte in Höhe von 10 statt um 7 Prozent befürchten.
Manfred Waltermann
24. Mai 2018 @ 10:38
Grundsatz
für die an allen Ecken und Kanten schwächelnde EU, die ihre eigenen Gesetze und Werte gegenüber ihren Mitgliedern nicht durchsetzen kann:
“Es gilt das gebrochene Wort!”
Athanasios Papapostolou
24. Mai 2018 @ 09:28
Was soll Frau Merkel tun? Sie ist inmitten eines Richtungsstreits ihrer Partei. Die Erzkonservativen wollen Griechenland (nach wie vor) aus dem Euro drängen und üben grossen Druck aus. Sie hat nicht mehr die gleiche Machtfülle wie vor Jahren. Wenn überhaupt, dann ist es der neue Finanzminister Scholz (mitsamt seiner “europafreundlichen” SPD), der alle zum Narren hält. Es gilt dann wohl weiterhin die Erkenntnis: “Wer hat Dich verraten, die …”
Zoe Chique
24. Mai 2018 @ 12:35
„Was soll (..) Merkel tun?“
Die Gunst der Stunde nutzen, in den Kongo fliegen, und sich Ebola einfangen.
Was sollen die Griechen tun?
Ein guter Anfang wäre, Frau Konstantopoulou endlich mal etwas genauer zuzuhören.
Wird höchste Zeit.
Winston
24. Mai 2018 @ 23:12
Und auch Costas Lapavitsas
Georg Soltau
24. Mai 2018 @ 08:36
Würde Frau Merkel die Realitäten wirklich erkennen und würde sie sich überhaupt einmal verantwortlich zeigen würde sie den Hut nehmen.
Peter Nemschak
24. Mai 2018 @ 06:46
Merkel kennt eben die politischen Realitäten und Stimmungen in Deutschland. Sie ist weder dem IMF noch dem europäischen Parlament verantwortlich: ein klare Linie, auch wenn sie manchen nicht gefallen mag..
ebo
24. Mai 2018 @ 08:19
Sie hat die Griechen erpresst, den IWF ausgebootet und den Bundestag belogen. Und die Lüge geht weiter – denn natürlich weiß auch Merkel, dass Griechenland seine Schulden ohne Erleichterung niemals zurückzahlen kann. Wie nennt man das noch gleich – Konkursverschleppung?
Peter Nemschak
24. Mai 2018 @ 09:54
Durch die sehr langfristige Erstreckung der griechischen Schulden und geringen Zinsen, sind die Schulden bedienbar. Daher besteht keine Eile zu nominalen Nachlässen. Im übrigen werden Staatsschulden nie zurückgezahlt sondern weiter gerollt. Gemessen an der nominalen Staatsverschuldung hätte auch Italien Grund Schuldenerlass zu fordern. Nachdem sich das politische und ökonomische Verhalten der stark verschuldeten Länder des Südens nicht verändert hat, würde ein Schuldenerlass diese politische Mentalität auf Kosten der Gläubigerländer perpetuieren. Machen wir uns nichts vor: Italien und Griechenland sind für die Eurozone nicht geeignet. Was spricht gegen die Möglichkeit geordnet aus der Euro auszutreten? Ohne europäischen Bundesstaat samt den dazu gehörenden Institutionen ist ein transnationaler Finanzausgleich eine politische Utopie. Wenn die Politiker daran festhalten, lügen sie sich in den Sack.