Das Ende der Heuchelei

Was bleibt von der EU-Politik der letzten Woche? Europa öffnet sich wieder für Reisende aus Drittstaaten, in Brüssel wird jetzt deutsch gesprochen – und die EU rangelt mit den USA um den Wirkstoff Remdesivir. Und dann war da noch die Türkei.

Hurra, die Deutschen kommen! Am 1. Juli ging der Traum vieler EU-Diplomaten und Eurokraten in Erfüllung, Kanzlerin Merkel übernahm endlich auch offiziell die Führung in der EU. Das macht sie zwar noch lange nicht zu Europas Kanzlerin – es gibt ja auch noch Ratspräsident Michel.

Doch immerhin endet nun die Heuchelei, die darin bestand, die deutsche Hegemonie zu bestreiten. Sogar in Berlin gibt man neuerdings ganz offen zu, dass Deutschland die EU führt; zum Start der deutschen Ratspräsidentschaft wurde denn auch (fast nur) deutsch gesprochen!

Ganz reibungslos ging die Staffelübergabe allerdings nicht vonstatten. Einige Journalisten meckerten, weil sie nichts verstanden und keine Fragen stellen durften – und Berlin scherte auch gleich mal vom EU-Kurs aus und wich von der neuen Reiseliste für Drittstaaten ab.

Dabei trat auch diese Liste am 1. Juli in Kraft – wenn auch nur als Empfehlung. Die USA steht nicht darauf, die Türkei auch nicht – was den türkischen Außenminister so aufregte, dass er schnell nach Berlin flog, um über die EU und Frankreich zu schimpfen.

Außenminister Maas ließ das an sich abprallen – er hat weder den Reisebann aufgehoben, noch die EU oder Frankreich verteidigt. Dabei wäre es zwischen der türkischen und der französischen Marine fast zu einem Schußwechsel gekommen, wie die FAZ berichtet.

Das dritte große Thema war das Gerangel um Medikamente und Impfstoffe gegen COVID-19. Die EU-Kommission bestätigte sich als Konzertveranstalter und sammelte zusammen mit Shakira & Co. ein paar neue Milliarden ein – leider nicht sehr transparent, wie wir finden.

Auch nicht sehr durchsichtig ist der Streit um den Wirkstoff Remdesivir. Angeblich haben sich die USA den gesamen Bestand gsichert – aber auch die EU-Kommisison steht im Gespräch mit dem Hersteller. Wer sich durchsetzt, ist noch völlig offen.

Klar ist nur, dass der Gesundheits-Nationalismus immer tollere Blüten treibt – und nun sogar die USA und die EU entzweit. Die Amerikaner werden – wenn es um Corona geht – zu rücksichtslosen “Systemrivalen”. Dabei sollten doch eigentlich Russen und Chinesen die Schurken sein…