Merkel sucht sanfte Landung für Weber
Er ist und bleibt ein Mann ohne Mehrheit: Manfred Weber, der Spitzenkandidat der Konservativen, steht kurz vor dem Aus. Doch bevor er sich zurückzieht, soll ihm Kanzlerin Angela Merkel noch einen honorablen Abgang sichern.
So erklärt man sich in Brüssel das auffälligen Schweigen in Berlin. Auch zwei Tage nach dem Krisengipfel mit Weber im Kanzleramt hält sich Merkel bedeckt. Sie hat sich nicht mehr zu ihrem Favoriten bekannt, ihn aber auch (noch) nicht öffentlich fallengelassen.
Merkel und die Union seien noch auf der Suche nach Ersatzkandidaten für Weber – und nach einer sanften Landung für den gescheiterten Spitzenkandidaten, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen. Vor allem zwei Trostpflaster werden dabei immer wieder genannt:
- Weber könnte Präsident des Europaparlaments werden – aber nicht für zweieinhalb Jahre, wie üblich, sondern für die gesamte Legislatur, also fünf Jahre. Das wäre mehr als bei Martin Schulz vor fünf Jahren – aber ein Hohn für die Demokratie. Denn Weber hat nunmal keine echte eigene Mehrheit im Parlament!
- Denkbar wäre auch, dass der CSU-Politiker zum nächsten deutschen EU-Kommissar wird – aber nicht als „einfacher“ Kommissar, sondern gleich als herausgehobener Vizepräsident. Das hatte Günther Oettinger (CDU) immer angestrebt, aber nicht geschafft. Dabei hat Oettinger weit mehr Erfahrung als Weber!
Wie man sieht, haben beide Modelle ihre Schattenseiten. Weber auf diese allzu durchsichtige Weise zu „entsorgen“, würde die Glaubwürdigkeit der EU und ihrer Institutionen weiter beschädigen.
Zudem ist immer noch unklar, wer denn Kommissionspräsident werden soll, wenn Weber hinwirft. Klar ist nur eins: Wenn er in die EU-Kommission wechselt, kann es kein Deutscher mehr werden…
Siehe auch „Nach Weber: die Namen“ und „Weder Weber noch Weidmann“
P.S. Dass Merkel (hoch) pokert, zeigt eine Bemerkung beim G-20-Treffen in Osaka: „Auf jeden Fall sind die beiden Spitzenkandidaten Teil der Lösung, und das ist ganz wichtig“, sagte sie. Damit hält sie sich die Möglichkeit offen, Weber großzügig zu versorgen – bringt aber zugleich Webers Gegenspieler Frans Timmermans ins Spiel…
Peter Nemschak
29. Juni 2019 @ 14:47
Dass gescheiterte Politiker „sanft“ entsorgt werden müssen, steht nirgendwo geschrieben und ist für die Bürger nicht verständlich. Spitzenjobs, die entweder mit Geld oder Prestige oder beidem beladen sind, müssen mit persönlichem Risiko verbunden sein. Sonst melden sich die Falschen dafür, jene, die nichts zu verlieren haben und werden zu lange mitgeschleppt. Das sollte gleichermaßen für die Politik und die Wirtschaft gelten: skin in the game schärft das Verantwortungsbewusstsein der Akteure.
zykliker
29. Juni 2019 @ 10:49
wenn man MW das politische Charisma eines Oberstudienrats zuspricht, beleidigt man die Lehrerschaft; wie wärs mit Oberbeamter im Finanzamt Referat für Hundesteuer.
Es gab mal eine Zeit, da mußte ich vermuten, die CSU könnte auch einen Affen aus dem Tierpark Hellabrunn als Kandidaten in einem ländlichen oder superreichen Wahlkreis aufstellen, er würde direkt gewählt werden.
In dieser allzu seligen mentalen Vergangenheit scheint man in den Findungsgremien einer sich aus Gottesgnadentum und Untertanengehorsam herleitenden Mumienpartei immer noch zu schweben; anders sind Personalien wie MW oder auch GÖ nicht vorstellbar.
Übrigens zeigte die Personalie MS, daß auch die Sozen wohl längst den Weg aller irdischen Verwesung angetreten hatten.
Daß übrigens auch die Personalie AM demnächst zur Disposition steht, wissen Insider wie FM und AKK schon länger; das zeigt die neuerliche TV-Präsenz von FM in neuem Licht.
Peter Nemschak
29. Juni 2019 @ 15:01
Mittelmaß ist keine Schande aber auch keine Empfehlung für Spitzenjobs. Die Causa Weber zeigt, dass sich die Bundeskanzlerin und ihre europäischen Kollegen die Entscheidung, was in der EU passiert, auch in Zukunft vorbehalten wollen. Die EU ist eben kein Bundesstaat und wird nicht so bald einer werden. Das muss auch die zukünftige internationale Bündnispolitik der EU berücksichtigen.
Kleopatra
29. Juni 2019 @ 07:48
Die Geschäftsordnung des EP legt die Amtszeit des Präsidenten etc. auf zweieinhalb Jahre fest. Daher kann Weber nicht auf fünf Jahre gewählt weden, man kann ihn allenfalls in zweieinhalb Jahren wiederwählen. Aber davon, dass die Regierungschefs das Amt als Kompensationsgeschäft bzw. Trostpreis für jemanden vergeben, der eigentlich Kommissionspräsident werden wollte, steht auch nirgends etwas.
Allerdings kann jemand, der für eine Politik, die er vertritt, keine Mehrheit zusammenbekommt, durchaus noch ein Parlamentspräsident werden (denn da muss er vor allem neutral sein).
Holly01
29. Juni 2019 @ 08:59
So “neutral” wie es der Schulz war?
Der könnte Verkehrsminister werde. Da kann die CSU auf eine inhaltliche Qualität und Tradition verweisen, in die Weber gut rein passen würde …..
vlg
Alexander
28. Juni 2019 @ 20:46
Ich wäre dafür, Weber zum Ungarn-Beauftragten des EP zu ernennen!
Lächerlich, was eine rechtspopulistische Regionalpartei alles leiten zu müssen glaubt.