„Merkel, Kanzlerin auf Abruf“

Wie reagiert EUropa auf das Scheitern der Merkel’schen Koalitions-Verhandlungen? In Brüssel setzt man die rosarote Stabilitäts-Brille auf, in Paris reden sie Klartext.

„Hier in der Kommission sind wir zuversichtlich (…), dass Stabilität und Kontinuität gewährleistet sein werden“, sagte der Sprecher von Kommissionschef Juncker, M. Schinas, in Brüssel.

Das deutsche Grundgesetz biete dafür die Basis, so Schinas. Was ein merkwürdiger Hinweis für einen Kommissionsbeamten ist, der sich grundsätzlich nicht zu Fragen nationalen Rechts äußert, siehe Spanien!

Der Frage, ob er erwarte, dass die Ungewissheit in Deutschland die vereinbarten EU-Reformen verzögern werd, wich Schinas aus. „Wir sollten nicht darüber spekulieren“, sagte er.

Reformagenda wackelt

Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass nun die gerade beschlossene „Leader’s Agenda“ wackelt. Sie sieht schon im Dezember einen Sondergipfel zur Euro-Reform vor .

Merkel könnte das Treffen schwänzen – genau wie den Sozialgipfel in Göteborg, wo sie wg. Jamaika lieber zuhause blieb. Auch der Brexit muss nun wohl auf die Kanzlerin warten; weitere Verzögerungen drohen.

„Das sind schlechte Nachrichten für Europa“, sagte der niederländische Außenminister H. Zijlstra. Und Außenstaatsminister M. Roth (SPD) warnte vor einem Einflussverlust Deutschlands.

Machtverschleiß in Berlin

Am deutlichsten ist aber die Ansage aus Paris. Staatschef Macron versucht zwar noch, locker zu bleiben: „Es ist nicht in unserem Interesse, dass sich das verkrampft“, sagte der Liberale (!) in Paris.

Doch die französische Presse spricht aus, was viele denken: „Angela Merkel, Kanzlerin auf Abruf“, titelt „Le Monde“. Sie sei nun von ihrer Wahlniederlage eingeholt worden und leide unter „Machtverschleiß“.

Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ fürchtet schon um die EU: „Dieses Scheitern droht, das seit den deutschen Wahlen vom 24. September bereits gelähmte Europa in eine nie da gewesene Krise zu stürzen.“

Muss es Macron allein machen?

Schließlich sei die Union „von der Führung Angela Merkels geprägt, die gleichzeitig vom wirtschaftlichen Erfolg ihres Landes und dem Mangel an politischen Figuren auf ihrem Level profitierte.“

Nun stehe Macron allein im Regen, so das Blatt. Ihm droht nun ein Schlüssel-Partner für seine Projekte zu fehlen. Was eine merkwürdige Ironie der Geschichte wäre.

Schließlich hieß es bisher doch immer, Frankreich sei der nächste Wackelkandidat, und Deutschland die unerschütterliche „Macht in der Mitte“…

 

 

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