Mazedonien: Sind das die neuen EU-Standards?
Wenn es darum geht, den Weg für den EU- und Nato-Beitritt frei zu machen, dann nehmen es unsere Leader neuerdings nicht mehr so genau. Das gescheiterte Namens-Referendum in Mazedonien haben sie ignoriert, nun folgte der zweite Schritt.
Mit einer hauchdünnen Mehrheit hat das Parlament in Skopje am Freitag den Weg für eine Umbenennung des Landes in “Republik Nordmazedonien” freigemacht.
“Ich kann bestätigen, dass das Parlament den Vorschlag der Regierung mit 80 Ja-Stimmen angenommen hat”, sagte Parlamentssprecher Xhaferi nach der Abstimmung der 120 Mitglieder starken Kammer.
Die Regierung brauchte eine Zweidrittelmehrheit, um die Verfassungsänderung in Gang zu setzen. Eine qualifizierte Zweidrittel-Mehrheit wäre aber erst mit 81 Stimmen erlangt worden, schreibt der Blog “Mazedonien News”. Er spricht von einem “neuen Rückschlag” für die Demokratie.
Demokratie erhält neuen Rückschlag bei Abstimmung über Namensänderung
Doch selbst um 80 Abgeordnete zusammenbekommen, wurde offenbar getrickst. Mehrere Parlamentarier der Opposition sollen gekauft worden sein. Merkwürdiges berichtet auch “Le Monde”:
Parmi ces membres de l’opposition se trouvaient trois députés qui avaient été libérés sous caution cette semaine. Ils doivent répondre de leur implication présumée concernant l’irruption dans le Parlement d’une centaine de manifestants le 27 avril 2017, lors de laquelle le sang avait coulé, y compris celui du premier ministre.
Drei Abgeordnete seien erst diese Woche gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden, so das französische Blatt. Wahrscheinlich war das ein glücklicher Zufall, oder?
Für die EU und die Nato stellt das alles jedenfalls kein Problem dar, ganz im Gegenteil: Sie jubeln über diesen “Sieg”, der den Weg in die Union und in das Militärbündnis frei machen soll.
Erweiterungskommissar Hahn sprach sogar von einem “großartigen Tag für die Demokratie”. Offenbar setzt Mazedonien ganz neue EU-Standards?
Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Schließlich geht es hier um Geopolitik : Der Westen will den Einfluss Russlands auf dem Balkan zurückdrängen.
Ausserdem wird wohl ein jahrelanger sinnloser Streit friedlich gelöst. Nun gilt es nur noch die Bürger Mazedoniens zu überzeugen. Sie hatten beim Referendum massenhaft ihre Zustimmung verweigert…
Siehe auch “Wahleinmischung, aber richtig”
Rene
23. Oktober 2018 @ 20:42
Quo vadis…. könnte man die Feder fragen, die über das blanke Papier huscht, anfangs eine Bigotterie der EU hervorheben, dann aber doch noch den friedensstiftenden(!) Charakter der Maßnahmen benennend.
Ich hoffte Hintergründe vorzufinden, warum die Wähler zwar fast ausschließlich für(!) die Namensänderung stimmten, aber viel zu häufig einfach daheim blieben. Waren es unterschiedliche Interessen von Serben (nicht in EU), Albanern (nicht in EU) und Makedoniern? Waren es Oligarchen mit großen Rubelsäcken, die gegen die EU Kampagnen machten und selbst vor der Förderung deutschsprachiger Blogs nicht zurückschreckten, damit auch in der EU gegeneuropäische Stimmen in anderes Blogs aufgegriffen werden konnten? Oder war es die Unsicherheit eines jungen Landes, das zur Identitätsstiftung auf Alexander dem Großen von vor 2000 Jahren zurückgreifen muss?
Quo vadis, Entenfeder, Dein Federkiel ist stumpf…
Kleopatra
20. Oktober 2018 @ 21:10
Wie man eine Zweidrittelmehrheit definiert, ist unterschiedlich. Das Europäische Parlament hat jedenfalls, als es über den Vorschlag für, ein Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn entschieden hat, weniger strenge Maßstäbe angelegt.
ebo
21. Oktober 2018 @ 14:28
@Kleopatra – Bisher war es in Europa nicht üblich, oppositionelle Abgeordnete vorzeitig aus der Haft zu entlassen, damit sie der Regierung eine Mehrheit verschaffen können. Aber wenn EU und Nato es unbedingt wollen…
Peter Nemschak
20. Oktober 2018 @ 15:04
Demokratie hat auch etwas mit Realitätssinn zu tun. Mazedonien ist zur Stärkung der NATO und der EU aus geopolitischen Gründen notwendig. Da darf man demokratiepolitisch nicht Erbsen zählen.