Rezession: Die EU zögert, die EZB handelt

Um die Wirtschaft vor dem Absturz zu retten, verspricht die EU alles zu tun, was nötig ist. Doch Eurobonds und ESM-Hilfen sind immer noch tabu – vor allem in Deutschland. Nur die Europäische Zentralbank handelt.

Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise wird in der EU der Ruf nach unkonventionellen Maßnahmen laut. Hintergrund ist die ungewöhnlich massive Rezession, die durch die Notmaßnahmen gegen das Coronavirus ausgelöst werden dürfte. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, rechnet mit einem Konjunktureinbruch von 5 Prozent oder mehr.

Um den ganz großen Absturz zu verhindern, kündigte Lagarde am späten Mittwochabend überraschend ein Anti-Krisen-Programm in Höhe von 750 Mrd. Euro an.

Zuvor hatte sich Italiens Ministerpräsident Conte für die Ausgabe von gemeinsamen Schuldverschreibungen in Form von „Corona-Bonds“ ausgesprochen.

Man müsse alle Mittel in Erwägung ziehen, sagte Conte bei einer Videokonferenz der EU-27 in Anspielung auf das berühmte „Whatever it takes“ des früheren EZB-Chefs Mario Draghi.

Ähnlich soll sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron geäußert haben. Demgegenüber lehnte Kanzlerin Angela Merkel eine Debatte über Gemeinschaftsanleihen ab.

Italien und Frankreich hatten bereits während der Eurokrise die Schaffung von „Eurobonds“ gefordert. Auch viele Experten sprachen sich dafür aus.

Merkel hat dies jedoch stets ausgeschlossen. In einer Krise steigt traditionell die Nachfrage nach deutschen Bundesanleihen, so dass Deutschland auf der sicheren Seite ist und sich günstig finanzieren kann.

Demgegenüber geraten andere Länder wie Italien unter Druck. Vor dem Hintergrund der Coronavirus-Krise sind die „Spreads“, also die Zinsunterschiede, in Italien bereits wieder angestiegen.

Der Anstieg ist zwar noch nicht bedrohlich, wie in der Hochphase der Eurokrise. Dennoch wird in Brüssel bereits über Nothilfen diskutiert.

So fordern Finanzexperten des Europaparlaments ein neues Hilfsinstrument für von der Corona-Krise getroffene Euroländer. Eine Mehrheit der Obleute im Wirtschafts– und Währungsausschuss will dafür den Eurorettungsfonds ESM einsetzen.

Finanzielle Solidarität? Fehlanzeige

Er soll eine eigene Kreditlinie einziehen, um Länder wie Italien unbürokratisch helfen zu können. “Eine ESM-Kreditlinie wäre ein starkes Signal zur Unterstützung für besonders von der Corona-Krise getroffene Euroländer“, sagte der grüne Finanzexperte Sven Giegold.

Angesichts der schwerwiegenden Krise brauche es jetzt „finanzielle europäische Solidarität, um eine tiefe Spaltung der Eurozone zu verhindern.”

Die Euro-Finanzminister hatten sich bei ihrer letzten Sitzung am Montag jedoch nicht auf ESM-Hilfen einigen können. Auch jetzt sind sie nicht entscheidungsfähig. Eine für Freitag angesetzte Videokonferenz wurde kurzfristig abgeblasen.

Begründung: Man brauche mehr Vorbereitung…

Siehe auch „Was die EU jetzt noch tun könnte“ und „Chronik des Versagens (I): Leerverkäufe“

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Watchlist

Muß nun auch UK den Notstand ausrufen? Zuletzt war die Zahl der Corona-Toten drastisch angestiegen. Die britische Regierung kündigte daraufhin die Schließung der meisten Schulen ab Freitag an. Trotz der dramatischen Zuspitzung und der bisher vergleichsweise laxen Schutzmaßnahmen dürfen Briten immer noch ungehindert in die EU reisen…

Was fehlt

Die Sorge vor digitaler Massenüberwachung in Deutschland. Das Robert Koch-Institut hatte von der Deutschen Telekom kostenlos anonymisierte Bewegungsdaten von Handy-Nutzern erhalten. Damit soll es den Erfolg von Maßnahmen gegen das Coronavirus einschätzen. Das sei grenzwertig, heißt es im Europaparlament, man müsse die Demokratie schützen…

Das Letzte

Die EU will Netflix herunterdimmen. Aus Angst vor überlasteten Netzen appellierte EU-Kommissar Breton an den Streaming-Dienst, die Belastung zu senken, wie die Brüsseler Behörde am Mittwoch mitteilte. Dabei sei es unter anderem um die Idee gegangen, die Bildqualität bei starker Auslastung automatisch von HD- auf Standard-Auflösung runterzuschrauben…