Macrons Weckruf – Erdogans Drohung

Schon wieder Macron! Der französische Staatschef gibt keine Ruhe. Diesmal nennt er die Nato „gehirntot“. Und die EU stehe „am Rande des Abgrunds“. Politisch korrekt ist das nicht – aber ein überfälliger Weckruf.

Macrons Interview im „Economist“ ist in Brüssel eingeschlagen wie eine Bombe. Schließlich bereitet sich die Nato gerade auf ihre Geburtstagsparty vor. 70 Jahre wird sie alt, das soll gefeiert werden, mit einer Sause in London!

Nato-Generalsekretär Stoltenberg ist zur Vorbereitung der Fete extra nach Berlin gereist. Und dann das! Macron stellt nicht nur die Bereitschaft der USA infrage, mit den europäischen Alliierten zusammenzuarbeiten.

Er zweifelt auch an der Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags. „Ich weiß es nicht“ sagt er auf die Frage, ob die US-Army bei einem Angriff in Europa helfen würde. Seit Präsident Trump ist dies in der Tat fraglich geworden.

Schließlich hat Trump die Nato „obsolet“ genannt und seine Truppen ohne Rücksprache aus Nordsyrien zurückgezogen. Damit machte er den Weg für den türkischen Einmarsch frei, der nun zur Bedrohung für Europa wird.

All das ist bekannt. Bekannt ist auch, dass die EU nicht in der Lage wäre, Europa zu verteidigen. Wobei die Frage erlaubt sein muss: gegen wen denn eigentlich? Geht das größte Risiko noch von Russland aus – oder von China oder den USA?

Das ist die geopolitische Kernfrage, die Macron aufwirft. Doch diese Frage hört man nicht gern in der Nato-Stadt Brüssel – und auch nicht im amerikahörigen Berlin. Kanzlerin Merkel hat sich flugs von Macron distanziert, Stoltenberg natürlich auch.

Und die künftige Kommissionschefin von der Leyen – eine deutsche Transatlantikerin, die von Macron nach Brüssel geholt wurde? Sie schwieg. Leyen will am Freitag reden – in Berlin. Auf ihre Worte darf man gespannt sein…

Siehe auch „Die Nato ist erschüttert“ und „Was heißt hier geopolitisch?

Watchlist

  • Wird nun auch noch Spanien unregierbar? Diese Frage stellt sich am Sonntag, wenn die Spanier zum zweiten Mal binnen weniger Monate zu den Wahlurnen gerufen werden. Der geschäftsführende sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez gewann zwar die Abstimmung im Frühjahr, er verpasste aber die absolute Mehrheit deutlich. Auch diesmal droht wieder ein Patt. – Mehr hier

Was fehlt

  • Die jüngste Drohung von Sultan Erdogan. Pikant ist weniger, was er sagte – dass die Türkei die Türen für Flüchtlinge nach Europa aufmachen könnte – , sondern wo er es sagte: Ausgerechnet in Budapest, in Gegenwart von Regierungschef Orban, hat Erdogan seine Drohung bekräftigt. Dabei ist Orban doch Erdogans größter Fan – und gleichzeitig der erste Mauerbauer der EU gegen die „islamische Bedrohung“… – Mehr hier