Macron will die EU 2.0, Putin in der Defensive – und Orban trotzt von der Leyen
Die Watchlist EUropa vom 10. Mai 2022 –
Neue Töne aus Paris: Frankreichs Staatspräsident Macron hat sich für eine EU 2.0 ausgesprochen, der auch die Ukraine, Großbritannien oder Westbalkan-Staaten wie Bosnien-Herzegowina angehören sollen.
Bei einer Feierstunde in Straßburg skizzierte der amtierende Ratspräsident seine Vision für die anstehende EU-Reform. Neben der “alten” EU will Macron eine neue, lockere politische Gemeinschaft gründen.
Der Vorschlag ist noch vage, erinnert aber an das altbekannte “Europa der zwei Geschwindigkeiten”. Neben einem harten Kern soll es eine weniger stark integrierte “Peripherie” geben.
Macrons Idee hat Charme
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Die Idee hat Charme. Nach dem Brexit kann die EU nicht einfach weitermachen wie bisher und Länder wie die Ukraine aufnehmen, die nicht einmal ansatzweise reif für den Beitritt sind. Laut Macron könnte es noch “Jahrzehnte” dauern, bis Kiew die Kriterien erfüllt!
Allerdings widerspricht der Vorstoß dem offiziellen Brüsseler Diskurs. Kommissionschefin von der Leyen will die Ukraine so schnell wie möglich an die EU heranführen; schon im Juni will sie den Kandidatenstatus verschenken – pardon: verleihen.
Da bahnt sich also ein Richtungsstreit an. Aber der ist ohnehin unvermeidbar. Auch die “Konferenz zur Zukunft der EU”, die am Montag einen Zwischenbericht vorgelegt hat, sorgt für Kontroversen.
Dreizehn Staaten bremsen
So fordern die befragten Bürger, ganz wie vom Europaparlament bestellt, mehr EUropa, eine EU-Armee und eine Reform des EU-Vertrags. Sogar einen neuen EU-Konvent soll es geben, wie vor 20 Jahren.
Dreizehn EU-Staaten haben sich jedoch bereits gegen Vertragsänderungen ausgesprochen. Polen, Balten, die Nordländer und einige mehr wollen am liebsten alles lassen, wie es ist – zugleich aber die Ukraine aufnehmen .
Und Deutschland? Ist unentschlossen. Kanzler Scholz bezeichnete Macrons Idee als “sehr interessant”. Allerdings steht er bei Vertragsänderungen auf der Bremse. Den Westbalkan hingegen will Scholz so schnell wie möglich aufnehmen…
Mehr zur EU-Reform hier
P.S. Bei einem Treffen in Berlin haben sich Macron und Scholz für einen Waffenstillstand in der Ukraine ausgesprochen. Offenbar lag ich mit meinem frommen Wunsch zum Europatag nicht ganz falsch. Schade nur, dass sich nur Frankreich und Deutschland so positionieren – der Rest der EU schweigt oder folgt den USA…
Die Watchlist
Wie geht es weiter im Ukraine-Krieg? Kremlchef Putin hat bei seiner Rede zum Jahrestag der Befreiung nicht wie erwartet mit dem Säbel gerasselt und die Generalmobilmachung angeordnet oder neue Offensiven angekündigt. Vielmehr hat er versucht, seinen Angriffkrieg als “Verteidigung” gegen die Nato zu präsentieren. “Wir hatten keine Wahl” – es klang fast schon defensiv…
Was fehlt
Der Widerstand gegen das geplante EU-Ölembargo. Ungarns Regierungschef Orban droht weiter mit einem Veto – und bringt damit Kommissionschefin von der Leyen in Bedrängnis. Um “ihre” neue Strafmaßnahme zu retten, sah sich die CDU-Politikerin gezwungen, kurzfristig nach Budapest zu reisen. Thema der Gespräche sei die europäische Energieversorgungssicherheit, hieß es in Brüssel…
Holly01
10. Mai 2022 @ 08:18
Die Balten und die Nordstaaten haben recht.
Die EU mit dem Euro funktioniert nicht.
Die EU mit PESCO funktioniert nicht.
Der Binnenmarkt mit dem Brexit funktioniert nicht.
Das Außenverhältnis zu den Nachbarn funktioniert nicht.
Die innere Verfassung der EU ist erbärmlich.
Da ist der Plan nach weiteren Mitgliedern mit “naiv” gut beschrieben.
Wenn eine große Anzahl der Mitglieder jede Veränderung blockiert, weil jede Veränderung in die “falsche” Richtung geht, sollte man mal auf den inneren Kompass schauen, wo man hinreist.
european
10. Mai 2022 @ 12:17
@Holly01
Es könnte alles sehr gut funktionieren, wenn man sich denn an die Regeln halten würde.
Z.B. keine Steuerparadiese innerhalb der EU
Keine Leistungsbilanzüberschüsse einiger Länder im Norden, z.B. Deutschland, die Niederlande und auch Österreich, die nicht möglich sind ohne andere Länder in die Defizite zu schicken. In einem Binnenmarkt können nicht alle Überschüsse machen. Das geht schon technisch nicht.
Zielinflation einhalten – Löhne gemäß Produktivität plus Zielinflation. Kein Lohndumping zu Lasten anderer Länder.
Interessanterweise sind es ausgerechnet die Sparsamen, die Frugals, die das System der gemeinsamen Währung und des Binnenmarktes extrem für sich in Anspruch nehmen. Zu Lasten der anderen.
Die EU steckt fest. Eigentlich müsste man sie neu strukturieren und Kontrollmechanismen einbauen bevor man ihr mehr Aufgaben überträgt. Außerdem brauchen wir deutlich besser qualifiziertes Personal auf allen Ebenen.
european
10. Mai 2022 @ 08:14
Macron und von der Leyen koennten nicht unterschiedlicher sein. Er spricht zukunftsorientiert und diplomatisch geschickt. Es wird in Europa keinen Frieden ohne Russland geben und diesen Frieden muss man anstreben. Ihren Kommentar sollte jeder selber lesen. Wir sind die Guten und das rückständige Russland braucht eine Militärparade. Kein Wort über die 27 Mio Russen, die Deutschland auf dem Gewissen hat, von der Befreiung Auschwitz’ durch die Russen ganz zu schweigen. Da sehen wir dann geflissentlich drüber hinweg.
Sie war eben schon immer eine Fehlbesetzung.
https://www.euronews.com/my-europe/2022/05/09/macron-warns-against-humiliating-russia-over-war-in-ukraine