Macron und Lindner vs. Weber und Merkel
Nur einen Tag nach dem EVP-Kongress, bei dem Kanzlerin Merkel ihren Liebling Weber zum Spitzenkandidaten küren ließ, halten die Liberalen dagegen. Der Gegenwind kommt nicht nur von den üblichen Verdächtigen.
Nein, nicht nur Frankreichs Macron und ALDE-Chef Verhofstadt aus Belgien sagen Merkel und Weber den Kampf an. Auch FDP-Chef Lindner reiht sich ein – beim ALDE-Kongreß in Madrid macht er sogar gemeinsame Sache mit Macron.
Das ist eine kleine Sensation – wenn man bedenkt, wie sehr sich Macron und Lindner vor einem Jahr noch bekriegt haben. „Wenn Merkel mit der FDP geht, bin ich erledigt“, soll Macron erklärt haben. Damals ging es noch um Jamaika.
Heute geht es darum, Weber zu verhindern und Merkel zu entthronen. Über den Umweg der EU könnte dies sogar gelingen. Denn Macron kann Webers Nominierung zum Kommissionschef blockieren.
Das letzte Wort haben nämlich die Staats- und Regierungschefs – und nicht das Parlament, auch wenn die EVP das gerne behauptet. Die Spitzenkandidaten müssen schon wirklich Spitze sein, wenn sie durchkommen wollen.
Das kann man von Weber nicht behaupten, er hat ja nicht einmal Regierungserfahrung. So wird denn auch zunehmend Kritik an Merkels Mann für Brüssel laut – und am gesamten Spitzenkandidaten-Prozeß. Hier ein paar Tweets von heute:
The EPP wants its candidate for the Commission to be Weber, an MEP with a very limited CV, rather than an experienced politician with ideas, @alexstubb. That tells one that EPP isn’t serious about reforming the EU, and that the spitzenkandidaten process is discredited. @CER_EU
— Charles Grant (@CER_Grant) November 9, 2018
Fin d’un insoutenable suspens: le candidat de la CDU-CSU allemande, l’Allemand @ManfredWeber, est désigné comme tête de liste du @EPP et successeur désigné de @JunckerEU lui-même candidat de la CDU-CSU en 2014. Tout est prêt pour les élections allemandes, heu européennes.
— Jean Quatremer (@quatremer) November 8, 2018
Ein besonderer Tag: Die Kooperation zwischen @ALDEParty und @fdp mit @enmarchefr und @EmmanuelMacron kann den Status quo in #europa überwinden. Ein Neustart aus der politischen Mitte ist greifbar! CL https://t.co/Ec99w3hDLz
— Christian Lindner (@c_lindner) November 9, 2018
P.S. Die Liberalen haben übrigens keinen Spitzenkandidaten nominiert. Sie machen einfach nicht bei diesem Spiel…
Siehe auch „Webers Werk und Macrons Manöver“ und „Das Demokratie-Defizit der Spitzenkandidaten“
Peter Nemschak
10. November 2018 @ 16:19
Regierungserfahrung ist, wie die Vergangenheit gezeigt hat, keine Erfolgsgarantie. Webers Wahl würde wahrscheinlich das etwas ramponierte Verhältnis CDU-CSU stabilisieren helfen. Egal wer Präsident wird, die Nord/Süd und Ost/West verlaufenden Gräben werden für jeden Präsidenten eine Herausforderung werden, womit wieder einmal die Hauptausgleichslast auf Deutschland und Frankreich liegen wird.
Kleopatra
10. November 2018 @ 07:50
Dass Merkel am liebsten einen absoluten Schwächling als Komissionspräsidenten hat, kann man ja nachvollziehen. Deutscher, Kompromissler und nie durch Opposition gegen die Führerin aufgefallen – so einen muss Merkel ja unterstützen! Dumm nur, dass sie ausgerechnet jetzt rapide zur lahmen Ente mutiert.
Die von Ihnen zitierte Kritik an Weber ist allerdings nicht besonders stichhaltig: sie kommt u.a. von FDP-Vertretern und von einem Briten (den das nach nächstem März im Zweifel eh nicht mehr betrifft).
Als deutsche Wahlen (vgl. Quatremer) wurden bereits die letzten Europawahlen missbraucht (schandbarerweise auch von der deutschen Sozialdemokratie mit dem Argument, wer einen deutschen Kommissionspräsidenten wolle, müsse SPD wählen. Bei solchen kleinnationalistischen Argumenten stelle ich mir immer vor, man würde sie in den jeweils anderen Ländern präsentieren).
ebo
10. November 2018 @ 08:59
Stellen Sie sich mal vor, die beiden größten Parteien Italiens oder Polens hätten die Spitzenkandidaten ausgesucht! Es gäbe einen Aufschrei, von Wahlfarce wäre die Rede. Im deutschen Europa hingegen ist das kein Problem – wenn nur die Gallier nicht wären…
Kleopatra
11. November 2018 @ 08:05
Die größten Parteien Italiens bzw. Polens sind nach derzeitigem Stand in Polen die PiS, in Italien die Lega. Und warum die keinen Spitzenkandidaten promoten dürfen sollten, lässt sich natürlich nicht begründen.
Ich fürchte freilich, dass die Demokratie-Simulation der „Spitzenkandidaten“ dazu führt, dass Kandidaten aus den kleineren Ländern deutlich weniger Chancen haben als wenn sie freihändig vom Rat nominiert werden. Welche europäische Partei hätte Barroso nominiert? Aber für den Zusammenhalt ist es wichtig, dass auch solche Kandidaten in Frage kommen. Sonst haben aus den kleinen Staaten nur Luxemburger eine Chance (weil sie Deutsch oder – Asselborn – Französisch sprechen).
Kleopatra
10. November 2018 @ 07:17
Theoretisch kann Macron die Ernennung Werbers nicht blockieren, jedenfalls nicht allein, denn man könnte Frankreich überstimmen – das hat man ja auch mit Großbritannien bei der letzten Nominierung eines Kommissionspräsidenten gemacht (und die ganze deutsche Presse hat begeistert Beifall geklatscht). Ab er natürlich wird man Frankreich nicht überstimmen, denn manche Tiere sind gleicher als andere; und wenn man halb bewusst, halb fahrlässig in Kauf genommen hat, Großbritannien aus der EU herauszuekeln, wird man bei Frankreich Vorbehalte haben.