Macron und Draghi machen Druck, Moskau wehrt sich – und neue EU-Flüchtlingslager

Die Watchlist EUropa vom 30. März 2021 –

Die Europäische Union macht sich Sorgen um ihren Corona-Hilfsfonds. Schuld daran ist der vorläufige Stopp der Ratifizierung in Deutschland.

Die EU-Kommission wiegelt zwar ab: Der Zeitplan für die schuldenfinanzierten Hilfen von bis zu 750 Mrd. Euro sei nicht gefährdet, heißt es in Brüssel.

Doch in Paris, Rom und im Europaparlament sieht man die Entwicklung im größten EU-Land mit wachsendem Unbehagen.

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das den Stopp anordnete, bereits mehrfach die Finanzpolitik der EU infrage gestellt.

Der deutsche Ratifizierungs-Stopp führe zu Unsicherheit in Südeuropa, warnt der grüne EU-Abgeordnete Rasmus Andresen, der im Haushaltsausschuss des Europaparlaments sitzt.

„Das Bundesverfassungsgericht sollte sich nicht vor den Karren nationalkonservativer Männer spannen lassen, die in der Sache politisch keine Mehrheit mehr haben und jetzt mit Verfassungsbeschwerden ihre politischen Vorstellungen durchsetzen wollen“, so Andresen.

Draghi fordert “echte” Eurobonds

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Warnungen kommen auch aus Paris und Rom. Die EU müsse bei den Finanzhilfen aufs Tempo drücken und den Fonds notfalls aufstocken, sagte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron beim EU-Videogipfel am vergangenen Donnerstag.

Der neue italienische Regierungschef Mario Draghi ging noch weiter – und forderte Eurobonds. Der Corona-Fonds könne nur der erste Schritt zu europäischen Anleihen mit gemeinsamer Haftung sein, sagte Draghi.

Bisher sind nur EU-Anleihen ohne Gemeinschaftshaftung geplant. Jedes EU-Land soll entsprechend seines Anteils an den Eigenmitteln haften, nicht mehr und nicht weniger.

Die Richter schlagen die Parlamente

Zudem hat Kanzlerin Angela Merkel durchgesetzt, dass der Hilfsfonds nach einigen Jahren ausläuft und die Schulden zurückgezahlt werden. Wie dies geschehen soll, ist allerdings noch unklar.

Zudem unterliegt der neue Coronafonds kaum parlamentarischer Kontrolle. Das Europaparlament hat ihn ohne große Änderungen durchgewunken.

Umso größer ist das Gewicht des höchsten deutschen Gerichts, wieder einmal. Nach dem Karlsruher “Hängebeschluss” droht eine Hängepartie…

Siehe auch “Karlsruhe stoppt Gesetz zum EU-Coronofonds”

Watchlist

Kommt ein internationaler Vertrag zur Bekämpfung von Pandemien? Mehr als zwanzig Staats- und Regierungschefs aus Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika schlagen laut “FAZ” in einem gemeinsamen Aufruf vor, zur Vorbeugung und Bekämpfung künftiger Pandemien einen neuen völkerrechtlichen Vertrag auszuarbeiten. Damit solle die Lehre aus den Fehlern im Umgang mit Covid-19 gezogen werden, heißt es in dem Aufruf, der u.a. von Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident MacronEU-Ratspräsident Michel, Chiles Präsident Pinera und Südafrikas Präsident Ramaphosa unterzeichnet wurde. Mit dem Vertrag könnten mehr Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, Warnsysteme bei Gefahren und eine bessere Verteilung von Medikamenten, Schutzausrüstungen und Impfstoffen erreicht werden. Allerdings ist dies bisher noch nicht einmal der EU gelungen…

Hotlist

  • Russland wehrt sich gegen Vorwurf, eine “Desinformationskampagne” gegen Deutschland zu fahren. Indem deutsche Politiker und Medien von gegen Deutschland gerichteten „russischen Desinformationskampagnen“ sprechen und sich dabei auf einen „EU-Bericht“ berufen, desinformierten sie selbst die Öffentlichkeit, da sie dadurch  parteiische, verzerrte oder falsche Sicht vermitteln, heißt es in einer Stellungnahme der Russischen Botschaft in Berlin. – Das ist bemerkenswert. Tatsächlich hält der EU-Bericht nicht, was er verspricht – er liefert keine Beweise und zitiert nur russische Medien, die sich an Russen wenden. – Mehr hier
  • Die EU stellt 276 Millionen Euro für den Bau von neuen Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln bereit. Wie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bei einem Besuch auf Lesbos mitteilte, sollen damit Zentren auf fünf Inseln gebaut werden. Das größte soll auf Lesbos entstehen und im nächsten Winter aufnahmebereit sein, wie die “Tagesschau” meldet. – Offenbar rechnet die EU-Kommission selbst nicht mehr damit, dass der Dauer-Skandal der Flüchtlingslager behoben wird. Sie richtet sich vielmehr darin ein – genau wie in dem umstrittenen Flüchtlingsdeal mit der Türkei, der nun verlängert werden soll… – Mehr hier
  • Gemeinsam gegen sichere Verschlüsselung: Nach dem Auftritt Joe Bidens vor dem EU-Gipfel folgt am 14. April eine zweitägige Videokonferenz auf oberster Beamtenebene im Bereich Justiz und Innere Sicherheit zwischen der EU und den USA. Auf der Agenda stehen vom grenzüberschreitenden Datenzugriff für Strafverfolger bis zum gemeinsamen Vorgehen gegen sichere Verschlüsselung praktisch alle derzeit umstrittenen, datenschutzrelevanten Themen. – Der Punkt zum grenzüberschreitenden Datenzugriff ist eine ziemlich mutige Ansage der EU-Kommission, denn dafür gibt es noch nicht einmal einen EU-weit gültigen Beschluss.