Macrons vergebliche Liebesmüh’ – Merkels ehrgeizige Drohnen-Pläne
Wie viel Emotion ist in der Europapolitik erlaubt? Diese Frage werfen Frankreichs Präsident Macron und die deutsche AfD auf. Macron machte eine Liebeserklärung, die AfD ließ ihrer Wut freien Lauf.
“Selbst wenn Sie nicht alle Worte verstehen, die aus Frankreich kommen – seien Sie sicher, dass sie (la France) Sie (Deutschland) liebt.” Dies sagte Macron im Bundestag, danach gab es Standing Ovations.
So viel Pathos war selten – doch es wirkt deplaciert. Macrons Gefühle werden in Deutschland nämlich kaum erwidert. Die Medien greifen sie zwar begierig auf, sie haben den Franzosen zum Star erkoren.
Doch in der Politik sieht es anders aus. Macrons Reformimpulse dringen nicht durch – egal, wie leidenschaftlich er sie vorbringen mag. Vor allem Kanzlerin Merkel, Macrons Ober-Mutti, zeigt wenig Gegenliebe.
Sie lächelt zwar verlegen, wenn der French Lover um sie wirbt. Doch in der Sache bleibt sie hart. Dies zeigt sich gerade wieder beim Eurozonen-Budget. Die Einigung, die Paris und Berlin präsentieren, ist eine Luftnummer.
Der deutsch-französische Entwurf enthält keine Zahlen und keine Angaben zur Finanzierung. Dabei hatte Macron vor einem Jahr von mehreren Prozent des BIP gesprochen – davon ist nichts übrig geblieben.
1/ Kurze Einschätzung zur dt-fr Einigung zum Eurozonenhaushalt: Das was wir wissen fällt hinter den Anspruch der Meseberg-Roadmap zurück. Zentrale Erkenntnis war damals, dass makroökonomische Stabilisierung auf europäischer Ebene notwendig ist. Das leistet dieser Vorschlag nicht. https://t.co/sW10cHJqpw
— Lucas Guttenberg (@lucasguttenberg) November 16, 2018
Das Leerstellen-Budget soll auch nicht der Stabilisierung dienen – sondern der Disziplinierung, nach deutschen Regeln. Mich erinnert es an die Reformverträge, die Merkel schon einmal vorgeschlagen hat, zu Zeiten der Eurokrise.
Damals ging es um Geld gegen Reformen nach deutschem Vorbild, doch Ex-Präsident Hollande sagte “Non”. Sein Nachfolger Macron will nun “Oui” sagen, um wenigstens einen symbolischen Erfolg einzufahren.
Doch was bringt das? Die “Hanseaten” in der Eurogruppe haben sich schon gegen den Vorstoß ausgesprochen. Böse Zungen behaupten sogar, Merkel und ihr Finanzminister Scholz hätten das Nein aus den Niederlanden schon eingepreist.
Sie flirten zwar mit Macron. Doch dann steigen sie mit anderen ins Bett (um im schrägen Bild zu bleiben)…
Siehe auch “Übernehmen jetzt die Hanseaten das Ruder?”
WATCHLIST:
- Am Montag treffen sich die Außen- und die Verteidigungsminister der EU in Brüssel. Sie wollen nicht weniger als 17 Projekte im Militärbereich beschließen. Dazu gehört die Entwicklung einer Eurodrohne, bei der Deutschland die Führung übernehmen will. Die Drohne ist Teil des deutsch-französischen Projekts für ein “zukünftiges Luftkampfsystem” (“Future Combat Air System”), wie “telepolis” berichtet. Beim Militär scheint die Zusammenarbeit zu funktionieren…
WAS FEHLT:
- Eine konstruktive Europapolitik der AfD. Beim Europaparteitag bekannten sich zwar viele Delegierte zu Europa. Doch gleichzeitig wetterten sie gegen das “Bürokratiemonster EU”, wie SPON meldet. Eine Aktivistin des rechten Pegida-Bündnisses sagte sogar, ihr Ziel sei es, “Deutschland aus diesem EU-Albtraum herauszuführen”. Im Wahlkampf will die Partei mit Ungarns Orbans, Österreichs Strache und Italiens Salvini zusammen arbeiten – also mit EU-Gegnern.
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Peter Nemschak
19. November 2018 @ 11:42
Wenn schon nicht das Volk, sollten wenigstens die Politiker emotionslos agieren. Vielleicht tun sie es ohnehin, wenn sie nicht beobachtet werden. Staaten haben Interessen, keine Gefühle und versuchen diese durchzusetzen, manchmal mit mehr dann wieder mit weniger Erfolg. Das Eurozonen Budget wird wohl wieder ein Kompromissbudget werden. Das Gezerre um Geld ist nicht EU-spezifisch sondern lässt sich bis hinunter auf die Gemeindeebene verfolgen. Die Entscheidung, wie es letztlich aussehen wird, werden nicht die EU-Bürokraten sondern die Staatschefs der Mitgliedsländer treffen. Im übrigen sitzen auch im Rat (zweite Kammer) die Fachminister der Mitgliedsländer ohne deren Zustimmung nichts geht. Wer die EU kritisiert, muss, was viele übersehen, in seiner Kritik stets national ansetzen.
Claus
19. November 2018 @ 10:26
Herr PeterMueller9 vom SPIEGEL twittert: „Deutschland und Frankreich einigen sich auf Eurozonen-Budget.“
Weiß er vielleicht nicht, dass einer „Einigung“ alle EU-Länder zustimmen müssten? Und wenn, wie vermutet, diese Budget als Instrument der Disziplinierung gegen was auch immer eingesetzt werden soll, geht Herr PeterMueller9 davon aus, dass Italien, Ungarn, Polen, Österreich und alle weiteren in den Bannstrahl der Brüsseler Bürokratie geratenen Ländern dieser „deutsch-französischen Einigung“ ebenfalls zustimmen?