Macron gegen Spitzenkandidaten – Ein progressives Bündnis?
Das Rennen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Juncker ist eröffnet. Doch kaum dass CSU-Mann Weber seinen Hut in den Ring geworfen hatte, kam schon Widerstand aus Frankreich.
Staatschef Macron teilte mit, dass er das System der Spitzenkandidaten ablehnt – er will die Juncker-Nachfolge anders regeln. Das bisherige System sei undemokratisch, teilte ein Sprecher von Macrons REM-Bewegung mit.
Tatsächlich hat es zwei entscheidende Fehler. Zum einen gibt es keine europaweiten Listen zur Europawahl. Auch CSU-Mann Weber wird man nur in Deutschland wählen können – nicht in Frankreich oder in Belgien.
Das ist absurd. Doch gegen eine Einführung von EU-Listen hatten sich CDU und CSU im Europaparlament gesperrt. Ausgerechnet CDU-MEP Brok, ein Vertrauter von Kanzlerin Merkel, führte den Widerstand an.
Zum anderen läuft das aktuelle System darauf hinaus, dass nur die größte Partei – derzeit die konservative EVP, in der CDU und CSU den Ton angeben – eine Chance hat, den nächsten Kommissionschef zu stellen.
Die SPD möchte das nun ändern. „Wer Kommissionspräsident werden will, braucht die Mehrheit im Europaparlament, nicht nur die größte Fraktion“, sagt der Chef der SPD-Gruppe, J. Geier.
Sollte Weber keine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich versammeln, müsse man über andere Allianzen nachdenken. Die deutschen Genossen bemühen sich bereits um Kontakte zu Grünen und Linken im Europaparlament.
Bisher zeichnet sich allerdings kein Linksbündnis ab – fast alle Parteien wollen mit eigenen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen. Ob sich das linke Lager danach auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen kann, bleibt abzuwarten…
WATCHLIST: Außenminister Maas besucht die Türkei – und wird dort auch von Sultan Erdogan empfangen. Wird er auf der Freilassung der politischen Gefangenen bestehen – oder zählt das deutsch-französische Business mehr als Menschenrechte?
WAS FEHLT? Die Digitalsteuer auf Google & Co.. Obwohl die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt hat, geht es nicht voran – denn Deutschland steht auf der Bremse. Eine “Dämonisierung der großen Digitalunternehmen” sei nicht zielführend, heißt es im BMF. Oder geht es darum, US-Präsident Trump zu besänftigen – und Strafzölle auf deutsche Autos abzuwenden?
Georg Soltau
8. September 2018 @ 16:40
Was bitte hat der Präsident de EU Kommission mit einer demokratischen Wahl zu tun ? Bei einer Wahl kann man zwischen verschiedenen Sachen/Personen etwas auswählen. Nicht so beim Präsidenten der EU Kommission. Da wird EINE Person vom EU-Rat “vorgeschlagen” und das Europäische Parlament hat keine “Wahl” sondern kann diesen Vorschlag nur annehmen oder ablehnen.
Peter Nemschak
8. September 2018 @ 11:13
In einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie muss der Regierungschef die Unterstützung der Mehrheit der Abgeordneten haben. Technokratenregierungen sind meist nicht von langer Dauer. Alles beginnt mit einer europäischen Öffentlichkeit und europäischen Parteien. Soweit denken die Völker Europas noch nicht.
luciérnaga rebelde
7. September 2018 @ 17:10
Warum muss eigentlich der EU-Kommisionschef unbedingt ein Parteihengst sein?
Man könnte sich doch vorstellen, dass ein Mann/Frau mit globalem Denken und auf weite Sicht, unabhängig von Lobbys und Finanzmärkten diese, für uns Sklaven (jaja, wir sinds Holly01) eigentlich doch sehr wichtige Aufgabe übernehmen würde, wie z.B. ein Corbyn oder so jemand. (Hr. Nemschack, die Liberalen warens mal, im 19. Jhdt, heute sind sie absolut konservativ im negativen Sinne…).
ebo
7. September 2018 @ 17:37
Guter Hinweis! Mir gefällt es auch nicht, dass nun Parteikarriere vor Erfahrung und Ausstrahlung gehen soll…
Kleopatra
6. September 2018 @ 13:42
Im Prinzip haben die Sozialdemokraten recht. Penlich wirkt aber, dass sie letztes Mal, als sie sich selbst eine Chance auf die Stelle als stärkste Fraktion zutrauten, das Gegenteil vertreten haben. Auch gute Argumente sind in ihrem Mund nur opportunistisch.
Im Grund gibt es keine Möglichkeit, mit nur einer Stimme in einem Wahlgang gleichzeitig nach Verhältniswahlrecht ein Parlament zu wählen und nach Mehrheitswahlrecht eine Führungsfigur. Dafür wären zwei getrennte Wahlen nötig. Mit dem Risiko, dass bei der Präsidentenwahl die Wahlbeteiligung vollends gegen null tendiert.
ebo
6. September 2018 @ 13:56
In der Tat, die Sozialdemokraten legen das Spitzenkandidaten-System jetzt anders aus als 2014. Damals glaubten sie noch, mit M. Schulz auf der Gewinnerstraße zu sein – nun ist diese Hoffnung futsch. Aber auch die EVP und ihr Weber müssen sich gut überlegen, mit wem sie zusammengehen wollen. Paradoxerweise könnte Weber ein Erstarken der Rechten helfen – denn dann wäre der Druck auf die Sozis größer, mit ihm zusammenzugehen um die EU zu retten …
Kleopatra
7. September 2018 @ 07:55
Die Soialdemokraten dürften diesmal so schwach abschneiden, dass Sozial- und Christdemokraten zusammen keine Mehrheit im EP haben. Dann sieht das Koalitionsspiel diesmal deutlich anders aus. Letztes Mal hatten ja PSE und PPE zusammen eine informelle, seit Jahren bestehenden Koalition, die Grundlage der “Spitzenkandidaten”-Idee war.
Baer
6. September 2018 @ 13:25
Seehofer wurde nicht vergessen,man hat ihn unterschätzt.
Holly01
6. September 2018 @ 09:32
Ich habe ja schon früher vorgeschlagen, bei einer Parlamentsbesetzung nur die Plätze zu nutzen, die der Wahlbeteiligung entsprechen.
50% Wahlbeteiligung = 50% der Plätze dürfen besetzt werden.
Zur EU ist doch eins klar.
Die Landesparlamente nicken nur noch ab. Wird dieser Mechanismus den Wählern klar, bedeutet das einen massiven Machtverlust in den EU Hauptstädten.
Die Lobbyisten haben gar kein Interesse an Aufmerksamkeit für Brüssel, genau so wenig wie die Mandatsträger.
Was ist schon schöner als eine übergeordnete Instanz, wo man so richtig schön Einfluss nehmen kann und vollkommen Abseits jeder öffentlichen Aufmerksamkeit ist.
Besser geht es nicht, weder für die Einflußnehmer noch für die Ausflußproduzierer.
Also in den Haupstädten immer schon trommeln, während man in Brüssel die Kühe vom Eis schiebt.
In diesem Sinne, ist die Haltung der CDU/CSU nur zu verständlich.
Nur keine Aufmerksamkeit für die EU ………. nicht das die Leute da mal genauer hinschauen.
Obwohl. Bei “Die Partei” könnte das schon den ersten Rückschlag geben.
Die Versuche den unbequemen Sonneborn los zu werden, gibt es eine Solidarisierung und eine Aufmerksamkeitsquote die kontra produktiv ist.
Wie hoch ist die direkte und indirekte Finanzierung der Parteien aus EU Töpfen?
Ja ja ja, wen interessiert das schon….. ist doch EU Gedöns.
Hast Du einen Opa schick ihn nach Europa …. “zu Seehofer schau und denke, der wurde wohl vergessen”.
vlg
Georg Soltau
7. September 2018 @ 12:57
Großartige Idee die Anzahl der Parlamentssitze prozentual von der Wahlbeteiligung abhängig zu machen. Die Bewerber kämen in Zugzwang und müssten sich um die Belange der Menschen zu kümmern um eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen.
Peter Nemschak
6. September 2018 @ 06:52
Da es noch keine effektive europäische Öffentlichkeit gibt, stellt sich die Frage, wie hoch im Falle von europaweiten Listen die Wahlbeteiligung wäre. Auch auf nationaler Ebene werden bei Proportionalwahlsystemen von den meisten Wählern Parteien und nicht einzelne Kandidaten gewählt.