Macron führt Merz, VDL fürchtet Frieden – und Nordstream in US-Hand?

Die Watchlist EUropa vom 08. Mai 2025 – Heute mit News und Analysen zum Antrittsbesuch des neuen Kanzlers in Paris, zur Ukraine-Politik und zur Zukunft der deutsch-russischen Gaspipeline.

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Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie auch, sagte Altkanzler Scholz. Doch umgesetzt hat er dieses Versprechen nie. Ob das bei seinem Nachfolger Merz anders wird? Der erste Tag in Paris und Warschau weckt Zweifel.

Merz hat sich von Frankreichs Staatschef Macron führen lassen, streckenweise wurde er sogar vorgeführt. So betonte Macron, dass Frankreich in der Ukraine-Politik das Kommando übernommen hat – gemeinsam mit dem UK, in der “Koalition der Willigen” für die Ukraine. Merz druckste herum.

Macron überraschte zudem mit der Ankündigung, einen deutsch-französischen Sicherheits- und Verteidigungsrat einrichten zu wollen. Den gibt es zwar schon seit 1988. Doch bisher hat Deutschland keinen eigenen nationalen Sicherheitsrat – den will Merz nun noch schnell gründen.

Gleich in der Defensive

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Überfahren wurde Merz auch bei der Frage, wie die Aufrüstung finanziert werden soll. “Ich bin überzeugt, dass wir mehr öffentliche europäische Investitionen brauchen”, sagte Macron. “Es wurden ja bereits flexible Lösungen gefunden”, sagte er mit Blick auf die deutsche Schuldenbremse.

Merz war in der Defensive. Die neue Bundesregierung sei für eine Lösung auf EU-Ebene. Aber er werde dabei bleiben, “dass es richtig ist, dass jenseits der Verteidigungsausgaben diese Fiskalregeln in der EU gelten”, betonte er. Diese schafften finanzpolitische Stabilität, so der CDU-Chef.

Deutschland darf Schulden machen, die EU nicht: Diesen Konflikt haben wir wiederholt beschrieben, nun trat er gleich am ersten Tag des deutsch-französischen “Neustart” zutage. Wenn Merz bei seiner harten Haltung bleibt, wird er die EU nicht “führen” können – ebenso wenig wie Scholz.

Französische Rhetorik

Deutsche Führung heißt nämlich immer auch deutsches Geld – das muß der Neue wohl erst noch lernen. Immerhin beherrscht Merz schon ein wenig französische Rhetorik. Begriffe wie “europäische Unabhängigkeit” und “Souveränität” gehen ihm, dem alten Transatlantiker, locker über die Zunge.

Das freut Macron – schließlich hat er sie selbst geprägt. Auch hier kann er Merz ein Stück weit (vor-)führen. Aber eben nur ein Stück weit. Denn ohne die USA, das machte der Kanzler bei seinem Antrittsbesuch in Paris klar, könne er sich EUropas Sicherheit nicht vorstellen – auch nicht in der Ukraine.  

“Wir wollen, dass die Amerikaner an Bord bleiben”, so Merz. Das hätte Scholz genauso sagen können. Wer in Deutschland “Führung” bestellt, wird immer deutsche Politik bekommen…

Siehe auch meinen Bericht zu EU-Reaktionen auf Merz in der taz: “Und dann passiert – nichts”

P. S. Nach Merz hat Macron übrigens den lange als islamistischen Terroristen gesuchten syrischen Interim-Präsidenten Al-Scharaa empfangen. Auch da ging es um einen “Reset”, mir fehlen die Worte…

News & Updates

  • Von der Leyen fürchtet Frieden in der Ukraine. Die EU-Präsidentin hat vor einem Friedensschluss zu russischen Bedingungen gewarnt. “A bad deal could encourage Putin to come back for more”, sagte sie in einer Rede im Europaparlament zum 80. Jahrestag des Kriegsendes. Nach einem Diktatfrieden könne Russland auch andere Länder in der EU angreifen, warnt die Kommisssionschefin. – Belege für diese vor allem in Osteuropa populäre Behauptung legte VDL nicht vor. Alternativen auch nicht. Einen besseren, europäischen Friedensplan als den amerikanisch-russischen Deal sucht man bis heute vergebens…
  • Polen warnt Merz vor Grenzkontrollen. Polens Ministerpräsident Tusk hat den Kanzler bei dessen Besuch in Warschau aufgefordert, keine einseitigen Schritte vorzunehmen. “Ich verstehe das Bedürfnis nach verstärkten Grenzkontrollen. Aber das sollte vor allem für die Außengrenzen gelten.”Dennoch will Innenminister Dobrindt die Grenzen dicht machen und sogar Asylsuchende zurückweisen – ein klarer Verstoß gegen EU-Recht…
  • Slowakei gegen Verbot von Russen-Gas. Der slowakische Regierungschef Fico stellt sich wie erwartet gegen Pläne der EU-Kommission für einen Einfuhrstopp für russisches Erdgas. Das Vorhaben sei für sein Land „absolut inakzeptabel“, weil es zu einem Anstieg der Gaspreise führen werde, sagte Fico. – Mehr im Blog

Das Letzte

Fällt Nord Stream an die USA? Davor warnt der Europaabgeordnete F. De Masi (BSW, früher Linke). Am Freitag läuft die Frist aus, um sich Zugriff auf Nord Stream 2 zu sichern, schreibt der kritische Ökonom auf “X”. “Danach fällt NS2 in die Hände der USA. Die Bundesregierung sollte endlich handeln, um unsere Interessen an sicherer Energie zu wahren.” – Doch die neue Bundesregierung macht nicht die geringsten Anstalten. Sie unterstützt EU-Chefin von der Leyen, die alle Gasgeschäfte mit Russland verbieten will, die deutsch-russische Ostsee-Pipeline eingeschlossen…

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