Macron, der Zerstörer?

Die Europawahl sollte einen großen Sprung nach vorn für die Demokratie bringen – und entpuppte sich als großer Schwindel. Wie konnte es dazu kommen? – Teil 7 der Sommer-Serie: Macron, der Zerstörer?

Manfred Weber ist ein schlechter Verlierer. Dass er nicht zum Chef der EU-Kommission ernannt wurde, führt der konservative Spitzenkandidat der EVP nicht auf eigene Fehler zurück – seine mangelnde Qualifikation, die unhaltbaren Versprechen oder das Scheitern bei den Koalitions-Verhandlungen im Europaparlament.

Nein, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron soll schuld sein – zusammen mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Der liberale Franzose und der rechtslastige Ungarn hätten sich gegen ihn verschworen, behauptet Weber. Auch bei den Grünen geben viele Macron die Schuld dafür, dass sich kein Spitzenkandidat durchsetzen konnte.

Macron, der Zerstörer, und Merkel, die ehrliche Maklerin – dieses Urteil ist in Deutschland weit verbreitet. Doch es ist falsch. Denn im Gegensatz zu Merkel hat Macron von vornherein Farbe bekannt. Von dem Moment an, da CDU/CSU die transnationalen Listen für die Europawahl gekillt haben, hat er sich gegen die Spitzenkandidaten ausgesprochen.

Zudem hat Macron seit seiner Wahl versucht, gemeinsam mit Merkel einen „Neustart“ der EU zu initiieren – vergeblich. Merkel sagte Nein. Der Franzose war es auch, der einen Lagerwahlkampf gegen Orban forderte – doch in Berlin wollte ihm niemand folgen, auch Weber nicht. Schließlich war Orban lange Webers engster Verbündeter.

___STEADY_PAYWALL___

Kurz: Macron hat sich jahrelang um eine gemeinsame Linie mit Merkel bemüht; als „Zerstörer“ ist er nicht aufgetreten. Wenn überhaupt, dann hat Macron im Europaparlament „destruktiv“ gewirkt – indem er die Liberalen aufmischte und sich einem Bündnis mit Weber in den Weg stellte. Doch dabei ist er halbherzig vorgegangen.

Hätte er wirklich „durchmarschieren“ wollen, so hätte er die liberale Kandidatin Margrethe Vestager durchbringen müssen. Stattdessen hat er Ursula von der Leyen vorgeschlagen – und so die angeschlagene Kanzlerin und die EVP gestärkt. Im Grunde müssten CDU und CSU ihm deshalb dankbar sein.

Der Franzose hat keinesfalls versucht, „antideutsch“ zu punkten oder die „Nach-Merkel-Ära“ einzuleiten – sondern eine deutsche Merkel-Vertraute nach Brüssel geholt.

Vom Lonely Wolf zum Königsmacher

Der „Zerstörer“ hat sich so zum Königsmacher gewandelt – und das war wohl auch die Rolle, die Macron gesucht hat. Sie hat natürlich auch für ihn Vorteile. Zum einen konnte er so die Französin Christine Lagarde zur EZB-Chefin machen (und BuBa-Chef Jens Weidmann verhindern). Auch beim IWF konnte er punkten.

Vor allem aber hat sich Macron von Merkel emanzipiert und seine Rolle als „lonely wolf“ überwunden. Jahrelang war er auf die Kanzlerin fixiert, immer wieder hat er „solo“ gespielt. Damit ist es nun vorbei. Macron hat sich zum Teamplayer verwandelt – und so dem Rat zum Sieg über das Europaparlament verholfen.

Allerdings ist dieser Sieg teuer erkauft. Er geht nicht nur zu Lasten der Spitzenkandidaten, sondern auch der neuen Kommissionschefin, die ohne eigene Mehrheit auskommen muß. Wird von der Leyen deshalb von Macron abhängig sein, oder wird sie Merkel treu bleiben? Das wird die entscheidende Frage der nächsten Wochen.

FAZIT: Macron hat sich keineswegs so destruktiv verhalten, wie ihm vorgeworfen wird. Er hat sich als „Königsmacher“ durchgesetzt, dabei aber auch auf Deutschland und auf Merkel Rücksicht genommen. Das Europaparlament wäre gut beraten, nun auf Paris zuzugehen – es war zu sehr auf Berlin fixiert.

Siehe auch „Disruption in Aktion“ sowie „Die Führungskrise geht weiter – Merkel verliert“