Beginnt so die nächste Finanzkrise?
Unruhe an den Finanzmärkten: Nach der Türkei und Russland geraten auch andere Schwellenländer in Not, sogar der Euro steht unter Druck. Tritt US-Präsident Trump eine Finanzkrise los?
“Turkey and Russia are bracing for financial chaos this week.” Mit diesen Worten begann der tägliche Newsletter der “New York Times” am Montag. Es klang so, als käme das “Chaos” aus dem Nichts, und als beträfe es nur diese beiden Länder.
Doch dem ist nicht so. Auslöser der Turbulenzen ist die willkürliche Sanktions-Politik von US-Präsident Trump, die Lira und Rubel auf Talfahrt schickt. Doch auch der Euro ist betroffen, und die Krise weitet sich aus. Aus der “Süddeutschen”:
“Die Lira-Krise wird keine türkische Krise bleiben. Folgen für ausländische Banken, für andere Schwellenländer und Volkswirtschaften der Eurozone waren am Montag deutlich zu spüren.”
Neben Russland geraten auch die Schwellenländer Mexiko, Indonesien und Indien unter Druck. In Euroland könnte es Spanien und Italien treffen – wegen des finanziellen Engagements in der Türkei, aber auch wegen der Angst vor der Finanzpolitik in Rom.
Wie in solchen Fällen üblich, hat es der EU und der EZB die Sprache verschlagen. “Wait and see” ist hier offenbar die Devise. Nur Kanzlerin Merkel wagte sich vor – doch ihre Worte waren (wie so oft) unglücklich.
Merkel betonte zwar, dass niemand ein Interesse an der Destabilisierung der Türkei habe. Gleichzeitig pochte sie aber auf die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank, an der Präsident Erdogan rüttelt.
Die Angst vor dem Verlust der Unabhängigkeit nährt auch die Unruhe an den Märkten – Merkels Worte könnten die Turbulenzen noch zusätzlich anheizen.
Besser wäre es gewesen, Trump und Erdogan zu ermahnen. Denn hier haben wir es nicht mit einer “normalen”, also immanenten Finanzkrise zu tun – sondern mit einer politischen Krise, manche sprechen auch von einem Wirtschaftskrieg…
Siehe auch “Der Krieg gegen Russland hat begonnen – an den Märkten” und “Stillhalten ist auch keine Lösung“
reiner tiroch
23. August 2018 @ 09:02
Immer wenn alles so artig schön gelabert wird, ist die Gefahr am höchsten dass es kräftig scheppert. Und das wird bald sein, auch wenn es keiner glauben will. Das macht aber nix, weil ihr ja belogen werden wollt, gell?
Rainer Thieme
14. August 2018 @ 09:00
Vor einer großen Finanzkrise wurde vor einem Jahr 2017 schon drauf hingewiesen und gewarnt
G. Predl
14. August 2018 @ 07:40
Dieser böse, böse Trump! Nicht wirklich!
Herr Erdogan ruiniert die türkische Lira seit Jahren, der Niedergang der türk. Währung passiert nicht erst gestern. Da hat sein dummer Streit mit Trump nur die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Türkei gezogen. Zwar stecken vermutlich 100 – 150 Mrd an westlichem Bankengeld in der Türkei, aber schön aufgeteilt auf mehrere Länder – auch Deutschland, das die ca 21 Mrd jährlicher Exporte in die Türkei per Hermes Exportkreditversicherung „absichert“. Nur ein Wunder kann noch eine türkische Staatspleite abwenden, die wäre aber auch ohne Trump passiert. Vielleicht ein paar Tage später.
Auch Herr Putin hat viel versprochen, hat von Aufbruch der Wirtschaft und technologischer Erneuerung gesprochen. Fatal, dass seine engsten Freunde und Geldgeber, die Oligarchen, natürlich keine moderne Konkurrenz brauchen, die werken zufrieden mit den alten Maschinen und Gerätschaften aus der Sowjet-Zeit weiter. Und nachdem der Durchschnittsrusse das kaufen muss, was der Markt eben anbietet, bleibt alles wie gehabt. Sollte noch jemand so wahnsinnig sein und in Russland ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen wollen, dann darf er damit rechnen, dass ihm dieses von einem Oligarchen (= Mafiaboss) weggenommen wird und er noch Glück hat, wenn er sein Leben retten und ins Ausland flüchten kann. Diese Typen stehlen mit Gewalt und korrupten Richtern schon kleine, aber erfolgreiche Restaurants und Geschäfte. Also: der Rubel fährt völlig zu Recht bergab. Putin hat schon zweimal eine Staatspleite überstanden, man ist gegenüber Russland ohnehin vorsichtig, Kredite gibt man diesem Staat ohnehin nicht.
Also. Wegen dieser beiden zu erwartenden Pleitefälle wird es keine Weltfinanzkrise geben. Herrn Erdogan wird das höchstwahrscheinlich den Job kosten, bei Putin bin ich zuversichtlich, dass er auch die dritte Pleite im Amt übersteht.
supergirl
13. August 2018 @ 23:47
der suboptimale Raum eu wird all dieses überstehen
Die Kosten sind die Fragen: die Türkei wird sozial über Deutschland abgesichert.
Solveig Weise
13. August 2018 @ 16:26
Es ist natürlich verlockend mit Begriffen wie „Schwarzer Montag“ zu hantieren, es macht sich so gut in einer Überschrift. Da war ich dann natürlich ganz gespannt und habe mir einmal angesehen was an den Märkten denn wirklich so los ist.
Ergebnis? Der Euro (der ja angeblich „unter Druck steht“) steht höher als gestern, der Dax ist lächerliche 0,35% im Minus, der italienische Index sogar noch weniger im roten Bereich als der deutsche, italienische Anleihen liegen stabil im Markt. Das ist kein Schwarzer Montag sondern „business as usual“ :-).
ebo
13. August 2018 @ 17:17
Unter Druck heißt nicht abgestürzt. Dazu Chart & Analyse aus der FT: https://www.ft.com/content/bbbd6e28-9ed0-11e8-85da-eeb7a9ce36e4
Zur Ansteckungs-Angst ein Bericht der New York Times: https://www.nytimes.com/2018/08/13/business/turkey-stock-markets.html?hp&action=click&pgtype=Homepage&clickSource=story-heading&module=first-column-region®ion=top-news&WT.nav=top-news
Übrigens geht es derzeit an der Wall Street abwärts. Der Dax folgt immer etwas später dem Trend, das war 2008 nicht anders…
Solveig Weise
13. August 2018 @ 17:54
Da habe ich doch sofort ein zweites Mal nachgesehen und in der Tat steht der Dow jetzt im Minus. Und zwar sagenhafte 0,16%. In diesem Zusammenhang von einem “Schwarzen Montag” zu sprechen geht völlig an der Realität vorbei. Und genau darauf bezog sich auch mein Post. Am “Schwarzen Montag” war der Dow Jones um über 22% gefallen.
Und zum Euro: der steht nach wie vor im Plus!
https://www.comdirect.de/inf/waehrungen/detail/chart.html?timeSpan=1D&ID_NOTATION=1390634
Peter Nemschak
14. August 2018 @ 08:54
Die Banken sind heute ungleich besser kapitalisiert als 2008, auch funktioniert die Bankenaufsicht, zumindest in den westlichen Ländern zeitnäher und aufdringlicher als damals. In Europa sind jene Banken unter Druck gekommen, welche in den letzten Jahren ein intensives Kreditgeschäft mit der Türkei betrieben haben. Nachdem Erdogan die türkische Zentralbank daran gehindert hat, rechtzeitig durch Zinserhöhungen gegenzusteuern, fällt die Krise besonders schwer aus. Bei den emerging markets sind vor allem jene Länder unter Druck gekommen, welche eine wenig solide Finanzpolitik betrieben haben. Alles in allem werden die Maßnahmen von Trump dazu beitragen, die Konjunkturerwartungen einzutrüben und den einsetzenden Konjunkturabschwung weltweit zu beschleunigen. Am Ende werden die USA massiv erhöhte Schulden und höhere Zinsen haben. Sowohl Erdogan wie auch Trump glauben, durch ihr willkürliches Handeln die Marktgesetze außer Kraft setzen zu können. Das funktioniert auf Dauer für beide nicht. Bloß hat Trump den längeren Atem als Erdogan. Ob Italien an seinen teuren sozialpolitischen Fantasien angesichts der derzeitigen Entwicklung festhalten kann, darf bezweifelt werden. Das wird die dortige populistische Regierung unter Druck bringen.