Leyens Roadshow, Steinmeiers Sorge – und die Klage gegen den Rüstungsfonds


Die Watchlist EUropa vom 17. Juni 2021 –

Als erstes EU-Land hat Portugal grünes Licht für Finanzspritzen aus dem europäischen Corona-Aufbaufonds bekommen. Lissabon soll 16,6 Milliarden Euro erhalten, davon 13,9 Milliarden als nicht rückzahlbare Zuschüsse. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ es sich nicht nehmen, die frohe Botschaft persönlich in Lissabon zu überbringen. „Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, grünes Licht für Portugals Aufbau- und Resilienzplan zu geben“, erklärte sie. Der Plan werde dazu beitragen, „den Menschen in Portugal eine bessere Zukunft zu bieten“ und die Krise zu überwinden.

Mit Zusagen können auch Spanien, Griechenland, Dänemark und Luxemburg rechnen. Von der Leyen will diese Länder bis Freitag der Reihe nach besuchen, um die gute Nachricht aus Brüssel zu verkünden. Die Europatour stieß allerdings auf Kritik im Europaparlament. Auch die Reformpläne konnten nicht alle Abgeordneten überzeugen.

Portugal plane zu viele Großprojekte und zu wenig grüne Investitionen, bemängelt Damian Boeselager von der Partei VOLT. Damit mache es sich des „Greenwashing“ schuldig. Der spanische Plan enthalte „kaum durchschlagende Reformen“, meint der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Von der Leyen habe die Pläne „innerhalb von zehn Wochen anstandslos durchgewinkt“ – ohne sorgfältige Prüfung.

“Geld gegen Reformen”

Die Regierungen mussten der EU-Kommission nationale Aufbaupläne vorlegen und detaillierte Vorgaben erfüllen. Mindestens 37 Prozent der Mittel sollen in klimafreundliche Projekte und 20 Prozent in Digitalisierung fließen.

Außerdem sollen die Pläne auf die Forderungen aus dem „Europäischen Semester“ eingehen, bei dem sich EU-Beamte über die nationalen Haushalte beugen. Dies hatte Deutschland durchgesetzt – unter dem Motto: „Geld gegen Reformen“.

Allerdings hält sich Berlin selbst nicht an alle Auflagen. So hat Brüssel die Abschaffung des Ehegattensplittings und eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters gefordert. Die Bundesregierung ist auf diese Wünsche jedoch nicht eingegangen.

Dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass auch Deutschland grünes Licht erhält. Ein „Nein“ könne sich von der Leyen nicht leisten, heißt es in Brüssel.

Das Gespenst der “Schuldenunion”

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Den Grundstein für den Wiederaufbaufonds hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron vor einem Jahr bei einem deutsch-französischen Treffen gelegt.

Im Juli 2020 fasste der EU-Gipfel dann den offiziellen Beschluss. Er gilt als historisch, da die Finanzhilfen erstmals in großem Stil durch Schulden finanziert werden.

Die ersten EU-Anleihen für den Wiederaufbau waren am Dienstag am Markt platziert worden. Die EU-Kommission sammelte 20 Milliarden Euro ein. Sie hätte aber auch 140 Milliarden Euro einnehmen können – so groß war die Nachfrage.

Offenbar vertrauen die Anleger der EU, das Gespenst der „Schuldenunion“ scheint niemanden zu schrecken.

Das letzte Wort haben die Eurokraten

Allerdings läuft das Schuldenprogramm gerade erst an – genau wie der Aufbauplan. Mit der Auszahlung der nun bewilligten Hilfen wird erst im Juli gerechnet.

Portugal bekommt zunächst nur eine Anzahlung von 13 Prozent, das sind 2,2 Milliarden Euro. Der Rest wird erst dann gezahlt, wenn von Brüssel definierte „Meilensteine“ erreicht werden.

Das Europaparlament hat dabei übrigens nichts zu melden. Die Abgeordneten sitzen beim Wiederaufbau auf der Zuschauerbank – genau wie die Zivilgesellschaft.

Das letzte Wort haben die Eurokraten in der EU-Kommission. Und natürlich Behördenchefin von der Leyen – mit ihrer Roadshow will sie für gute Laune sorgen…

Siehe auch “Die Stunde der Eurokraten” und “Frust beim Wiederaufbau”

Watchlist

Wieder einmal richten sich alle Blicke auf Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht am Donnerstag seine Entscheidung über einen Eilantrag der AfD gegen die Unterzeichnung des deutschen Ratifizierungsgesetzes für den Corona-Hilfsfonds. Das Gesetz wurde zwar bereits am 23. April von Bundespräsident Steinmeier unterschrieben, die AfD hatte die Klage und einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung damals aber bereits eingereicht. Nun herrscht in Berlin und Brüssel die Sorge, dass doch noch etwas schief gehen könnte…

Was fehlt

Die Klage gegen den EU-Verteidigungsfonds. Sie wurde von der linken Bundestagsfraktion beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie ist der Auffassung, dass der Fonds vor allem der Aufrüstung dient (und nicht der Forschung und Entwicklung, wie die EU-Kommission behauptet) und den EU-Verträgen widerspricht. Dabei stützt sie sich auf ein Rechtsgutachten von Prof. Fischer-Leskano aus Bremen. Die Klage wurde in den Medien kaum beachtet; nur der britische “Daily Express” brachte eine größere Story!