Leyens erste Krise – Kurz’ zweite Chance

Noch vor Beginn der Hearings im Europaparlament ist das Team von der Leyen in die Krise gestürzt. Der Rechtsausschuss blockiert die Kandidaten aus Ungarn und Rumänien. Ist das der Auftakt zu einem Gemetzel?

Fehlstart für die neue EU-Kommission: Die Rumänin Rovana Plumb und der Ungar Laszlo Trocsanyi, die zum 26-köpfigen Team der kommenden Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gehören, sind bei einer Prüfung ihrer Vermögensverhältnisse und Nebentätigkeiten durchgefallen. 

Der Rechtsausschuss des Europaparlaments stimmte am Donnerstag in Brüssel dagegen, die beiden osteuropäischen Kandidaten zum obligatorischen Hearing zuzulassen, dem sich alle angehenden Kommissare unterziehen müssen. Nun wackelt der Zeitplan für die Bestätigung des Teams von der Leyen.

Bisher ist vorgesehen, dass die neue Kommission am 1. November ihre Arbeit aufnimmt. Die Anhörungen der Kommissare sollen am Montag beginnen. Plumb war ursprünglich für Mittwoch vorgeladen, Trocsanyi sollte sich am Dienstag den Fragen der Europaabgeordneten stellen. 

Doch nun sind beide schon an der ersten Hürde – einer Prüfung auf mögliche Interessenskonflikte – gescheitert. Es ist das erste Mal, dass designierte Kommissare bei der Vorprüfung im Rechtsausschuss durchfallen. Allerdings ist es keine Überraschung. Das Parlament war auf der Hut – und bestens vorbereitet.

Gegen neun designierte Kommissare – also jeden dritten im Leyen-Team – hatte der Rechtsausschuss Vorbehalte. Zwei davon wurden schließlich am Donnerstag zu einer eingehenden Prüfung vorgeladen. Dabei seien die Zweifel nicht ausgeräumt worden, hieß es im Europaparlament.

Die große Frage ist nun, ob die Blockade eine Art von Warnschuss ist – oder der Start für ein politisches Gemetzel. Anders als vor fünf Jahren gibt es diesmal kein Stillhalteabkommen zwischen den großen Fraktionen. EVP, S&D und Renew Europe (Liberale) könnten sich gegenseitig ihre Kommissare madig machen.

Von der Leyen scheint das Schlimmste zu fürchten. Um den Schaden zu begrenzen, stimmte sie sich noch am Donnerstag mit EU-Parlamentspräsident Sassoli ab. Der forderte danach den Rechtsausschuss auf, sich die ganze Sache noch einmal gut zu überlegen.

Doch Sassoli ist genauso neu im Amt wie die CDU-Dame. Ob er seine Abgeordneten im Griff hat (davon rund die Hälfte blutige Anfänger), weiß niemand…

Siehe auch “Der erste Streit” und “Das Parlament muß sehr genau hinsehen”

Watchlist

  • Die Wahl in Österreich. Am Sonntag wählt das EU-Land ein neues Parlament. In den Wahlumfragen liegt die konservative Partei von Ex-Kanzler Kurz vorn. Aber auch die FPÖ legte zuletzt leicht zu – trotz immer neuer Enthüllungen rund um den Ibiza-Skandal. Den Grünen werden leichte Verluste prognostiziert.

Was fehlt

  • Tusk widerspricht Trump. Der EU-Ratspräsident hat eine Rede bei der Uno-Vollversammlung in New York genutzt, um den US-Präsidenten in die Schranken zu weisen. Es sei  “falsch und gefährlich”, den Patriotismus als Alternative zum Multilateralismus zu propagieren. Zum Streit um die Ukraine sagte er nichts – mehr dazu hier.
  • Die nächste Schlappe für das Leistungsschutzrecht. Frankreich hat es im Zuge der EU-Copyright-Reform eingeführt. Doch Google will sich nicht daran halten und die Verlage bzw. Autoren vergüten. Man zahle grundsätzlich nicht für Suchergebnisse, auch nicht bei Google News, so der US-Konzern.
  • Der Streit hat auch Auswirkungen auf diesen Blog. Google teilte mit, dass “Lost in EUrope” als “europäische Presseveröffentlichung” eingestuft werde und deshalb in Frankreich mit Einschränkungen zu rechnen sei. Dabei hatte die EU doch versprochen, dass Autoren (und Blogger) von dem neuen Recht profitieren…