Leyens Pannenserie, Macrons Krisensitzung – und Eklat mit Cavusoglu

Die Watchlist EUropa vom 16. April 2021 –

Es ist verdammt schwer geworden, in die EU-Kommission hineinzuhorchen. Behördenchefin Ursula von der Leyen schottet sich ab und lässt keinen an sich heran. Und viele EU-Beamte und Journalisten kommen nicht mal mehr in das Kommissionsgebäude – seit einem Jahr herrscht Lockdown!

Wenn doch ‘mal etwas nach außen dringt, muss es drinnen wirklich laut zugehen. Und derzeit dringt viel nach draußen. Ärger. Unmut. Frust.

Von der Leyen bereite ihre Initiativen nicht sorgfältig vor, heißt es. Sie reiße alles an sich und dränge die Fachkommissare in den Hintergrund. Und sie verlasse sich nur auf ihre beiden deutschen Berater Björn Seibert und Jens Flosdorff.

Seibert ist offenbar auch für die jüngste Panne verantwortlich. Der Kabinettschef hat dem Präsidenten der Ukraine, Selinskyj, eine Absage geschickt – eine schwerer protokollarischer Faux-Pas, denn das hätte nur die Chefin tun dürfen.

Für Stirnrunzeln sorgt der Umstand, dass es um die Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine am 24. August ging – und Seibert die Teilnahme von der Leyens wegen eines “besonders vollen Terminkalenders” absagte.

Dabei sind Ende August normalerweise EU-Ferien. Termine? Keine!

Zudem mußte Leyens Chefsprecher Eric Mamer einräumen, dass das von Seibert unterschriebene Schreiben nicht über die “üblichen Kanäle” in die Ukraine gegangen sei.

Ja, wie denn sonst? Hat von der Leyen davon etwas gewußt? Hat sie ihr Kabinett noch im Griff? Es ist nicht das erste Mal, dass sich diese Frage stellt.

Drei Fehltritte in Folge

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Der erste Fehltritt kam im Januar, als die EU-Kommission den Briten im Streit um AstraZeneca mit dem Nordirland-Protokoll drohte – in London wurde das als Kriegserklärung empfunden. Von der Leyen mußte zurückrudern.

Der zweite folgte kurz darauf, als sich von der Leyen tagelang vor der Presse versteckte, dann aber ein Interview im ZDF gab. Sie denkt nur an das deutsche Publikum, empörten sich die EU-Korrespondenten in Brüssel.

Und dann war da noch das “Sofagate”. Von der Leyen präsentiert sich zwar als Opfer. Doch auch ihr Kabinett war nicht unschuldig – denn es hat sich offenbar nicht um das Protokoll in Ankara gekümmert.

Sehnsucht nach Selmayr

Angesichts dieser Pannenserie gibt es in Brüssel zwei Reaktionen. Die einen – vor allem Franzosen – schimpfen über die deutsche Präsidentin und ihre deutschen Berater. Von der Leyen sei nie in EUropa angekommen, sagen sie.

Die anderen sehnen sich nach der “guten” alten Zeit unter Jean-Claude Juncker zurück. Unter dem Luxemburger und seinem deutschen “General” Martin Selmayr habe der Laden wenigstens noch funktioniert, seufzen sie.

Dabei war Selmayr verschrien – als arbeitswütiges und arrogantes “Berlaymonster”…

Siehe auch “Leyen will den Sessel”

Watchlist

Finden die EUropäer doch noch zu einer Stimme in der Ukraine-Krise? Am Freitag wird Präsident Selenskyj in Paris erwartet, wo er mit Staatschef Macron und Kanzlerin Merkel (per Videoschalte) berät. Man will ein Treffen im sog. Normandie-Format vorbereiten, an dem dann auch Russland beteiligt wäre. Ich bin gespannt, ob das Minsker Abkommen noch eine Rolle spielt – oder ob man gleich über Sanktionen spricht. – Mehr hier

Hotlist

  • Die Außenminister Griechenlands und der Türkei, Dendias und Cavusoglu, haben sich vor laufenden Kameras beschimpft und der “Desinformation” und des Rechtsbruchs bezichtigt. Der Grieche beklagte vor allem die zahlreichen Verletzungen des griechischen Luftraums durch die türkische Luftwaffe (jeder Agäis-Urlauber kennt das), der Türkei prangerte illegale Pushbacks von Flüchtlingen an, wie France24 berichtet. – Der Eklat in Ankara zeigt, dass von einer Entspannung keine Rede sein kann. Doch daran klammert man sich in Brüssel, um die “positive Agenda” mit Sultan Erdogan voranzutreiben…
  • In Polen ist ein Machtkampf um die EU-Milliarden aus dem Coronafonds entbrannt, berichtet die „Tagesschau“: Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen Premierminister Mateusz Morawiecki und Justizminister Zbiegniew Ziobro, der Vorsitzende des deutlich kleineren Koalitionspartners Solidarna Polska. Ziobro droht offen, gegen die Ratifizierung des EU-Fonds zu stimmen. Man solle lieber darüber sprechen, dass “der Mechanismus, auf den sich die Spitzen der EU-Staaten im Dezember in Brüssel geeinigt haben, in Wirklichkeit der Weg in einen EU-Föderationsstaat ist“. – Ohne Worte!
  • Frankreich will den Stabilitätspakt für den Euro abschaffen, schreibt die „Südddeutsche“. Prominente Pariser Ökonomen fordern in einem Papier des Conseil d’analyse économique, einem dem französischen Premierminister beigeordneten Institut, die Abschaffung der geltenden EU-Verschuldungsgrenzen. Sie plädieren für “eine ehrgeizige Erneuerung des Haushaltsrahmens”. Zu den Autoren der Studie zählen mit Jean Pisani-Ferry und Philippe Martin zwei frühere Berater von Präsident Emmanuel Macron. – Eine Reform ist seit Jahren überfällig. Doch bisher war Berlin immer dagegen!