Leyens Abschiedsgeschenk für Merkel, fünf Jahre Brexit – und Belarus greift Berlin an

Die Watchlist EUropa vom 23. Juni 2021 –

Nach Portugal, Spanien, Luxemburg und einigen anderen EU-Ländern hat auch Deutschland grünes Licht für sein Corona-Aufbauprogramm erhalten. 25,6 Milliarden Euro darf die Bundesregierung in den nächsten Jahren in Brüssel abrufen, um die Wirtschaft anzukurbeln, den Klimaschutz zu stärken und die Digitalisierung voranzutreiben.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ es sich nicht nehmen, die gute Nachricht persönlich im Berliner Kanzleramt zu überbringen. Mit den neuen Plänen zur Digitalisierung sei Deutschland „europaweit an der Spitze“, erklärte sie. Auch die Maßnahmen zum Aufbau einer gemeinsamen Wasserstoff-Produktion seien vorbildlich.

Auch Kanzlerin Angela Merkel war zufrieden. Ihre frühere Ministerin – von der Leyen führte bis 2019 das Verteidigungsressort – habe ein „wahnsinniges Tempo“ vorgelegt und die Bundesregierung „sehr gefordert“, sagte Merkel. Der deutsche Aufbau- und Resilienzplan und die anderen Programme seien eine „wichtige Antwort auf die Pandemie“.

Doch das sehen nicht alle so. Im Europaparlament hagelt es Kritik an der deutschen Vorlage und dem Milliarden-Geschenk aus Brüssel. Auch im Bundestag gibt es Kritik. “Der Aufbauplan der Bundesregierung ist eine stümperhafte Mogelpackung”, erklärte Europaexpertin Franziska Brantner.

Wie geht es nach Merkel weiter?

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Zudem ist unklar, wie es mit dem Wiederaufbau weitergeht. Das mit bis zu 750 Milliarden Euro dotierte, schuldenfinanzierte Aufbauprogramm „Next Generation EU“ ist auf fünf Jahre befristet; nun ist Streit über eine mögliche Verlängerung entbrannt.

Kanzlerin Merkel hatte bei der Vorlage des Programms vor einem Jahr darauf bestanden, dass es sich um eine „Einmal-Maßnahme“ handele, die nur zur Lösung der Coronakrise bestimmt sei. Dies betonen auch CDU/CSU in ihrem Programm für die Bundestagswahl.

Kommissionschefin von der Leyen – ein CDU-Mitglied – fühlt sich an diese Vorgabe gebunden. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, haben jedoch bereits eine Verlängerung gefordert. Sie wollen die Konjunktur solange mit EU-Schulden stützen, wie dies nötig ist.

“Kein Zurück in die Vor-Coronazeit”

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und die Grünen setzen sich für eine Fortsetzung ein. Sie wollen auch die Fiskalpolitik neu ordnen – CDU/CSU fordern die Rückkehr zum alten Stabilitätspakt.

„Die Konservativen wollen in der Finanzpolitik zurück in die Vor-Coronazeit“, sagte der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen. „Wir Grüne dagegen sind der Auffassung, dass wir eine vertiefte europäische Zusammenarbeit benötigen, um auf künftige Krisen europäisch reagieren zu können.“

Die Rückkehr zur schwarzen Null sei keine Antwort. Doch genau das fordert der designierte Merkel-Nachfolger der CDU, Armin Laschet.

Vom Ausgang der Bundestagswahl im September dürfte es abhängen, wie es weiter geht…

Siehe auch “Europapolitik: Bei Schwarzgrün passt nichts”

Watchlist

Was hat der Brexit gebracht? Das fragen sich viele in Brüssel am fünften Jahrestag des EU-Referendums in Großbritannien. Für die meisten EU-Politiker haben sich die Briten mit dem Austritt selbst geschadet. Doch die oft prophezeite Wirtschafts-Katastrophe ist ausgeblieben, und mit der Corona-Impfkampagne hat Premier Boris Johnson den EUropäern gezeigt, was ein Haken ist. Die EU hingegen steht nun schwächer und ärmer da als zuvor – war sie am Ende die größte Verliererin? Klar ist, dass die EUropäer die Ursachen für den Brexit immer noch nicht aufgearbeitet haben. Auch die angestrebte neue Partnerschaft mit UK wurde nicht erreicht. – Siehe auch “Die verdrängte Krise”

Was fehlt

Starke Worte aus Belarus. “Was wir nicht erwartet haben ist, dass auch Deutschland an dieser kollektiven Verschwörung teilnimmt”, sagte Präsident Lukaschenko auf einer Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. “Das haben wir nicht von jenen erwartet, deren Vorfahren jeden dritten Belarussen umgebracht haben”, fügte er hinzu. “Achtzig Jahre sind vergangen, und jetzt? Was ist das? Ein neuer heißer Krieg?” Gemeint sind die neuen EU-Sanktionen. Außenminister Maas hatte sie vehement vertreten und gedroht, das Regime “finanziell auszutrocken”Siehe auch Zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion: Maas will “Wirtschaftskrieg”