Kuriosum oder Skandal?
Die EU tut weiter so, als gehe sie die Wahl in Katalonien nichts an. Dabei sollte sie sich zumindest um einen Aspekt kümmern: Dass gewählte Politiker mit Gefängnis bedroht werden bzw. schon darin sitzen.
Bisher wurde es meist als Kuriosum dargestellt, dass katalanische Politiker wie Ex-Regionalpräsident Puigdemont ihren Wahlkampf im Exil führen mussten; manche sogar aus der Gefängniszelle.
Selbst Schuld, sie haben eben gegen die spanische Verfassung verstoßen, hieß es in Madrid und Brüssel. Doch durch die Wahl ist eine neue Lage entstanden, die auch Brüssel umtreiben sollte.
Die “Delinquenten” haben nun nämlich (wieder) eine demokratische Legitimation. Puigdemont & Co. wurden nicht trotz, sondern wegen ihrer “Rebellion” gegen Madrid gewählt.
Dennoch können sie ihre Ämter bis auf Weiteres nicht antreten, weil sie von der spanischen Justiz verfolgt werden. Ist das noch ein Kuriosum – oder schon ein handfester (anti-)demokratischer Skandal?
Ich weiß es nicht, ich bin kein Jurist. Von einer Institution wie der EU würde ich aber erwarten, dass sie sich dazu äußert. Schließlich redet die EU-Kommission ständig von Rechtsstaat und Demokratie.
Gibt es nun politische Gefangene in Spanien, oder darf es sie nicht geben? Haben gewählte Politiker in der EU ein Anrecht, ihr Amt anzutreten, oder kann dies durch nationales Recht verhindert werden?
Und wenn ja – inwiefern ist dieses spanische Recht dann besser, als das, was in Polen oder Russland passiert? Darauf hätte ich schon gerne eine Antwort, Herr Juncker.
Ist Ihr konservativer Freund Rajoy ein “lupenreiner Demokrat”? Oder ist er einfach nur ein schlechter Verlierer?
Manfred Waltermann
24. Dezember 2017 @ 13:41
Sprachlos in Brüssel
Dass es „spanische Verhältnisse“ im 21. Jahrhundert mitten in Europa gibt, ist schon Urteil genug über die „Demokratie á la EU“!
Kann mir auch nur ein Bürger in der EU Aufklärung geben, welcher der EU-Abgeordneten als Person von den Bürgern gewählt ist?!
Die Kandidaten-Listen werden ausschließlich von PARTEIEN aufgestellt und aus ihnen nach dem prozentualen Anteil in den Staaten die Abgeordneten nach Brüssel entsandt, wo man sich zu Interessengruppen verbindet, die in den einzelnen Staaten gar nicht zur Wahl standen! – Demokratie geht bekanntlich anders!!
Das Schweigen aller Verantwortlichen in Brüssel und anderswo in der EU spricht Bände!
Peter Nemschak
25. Dezember 2017 @ 12:57
Die von den nationalen Parteien für die EU-Wahl aufgestellten Kandidaten waren namentlich bekannt. Die gewählten EU-Parlamentarier sind, soweit ich feststellen konnte, auf Anrage der Bürger durchaus auskunftsfreundlich. Das eigentliche Problem bei der Partizipation der Bürger außerhalb von Wahlen besteht darin, dass sie für den Bürger sehr zeitintensiv ist, insbesondere wenn sie konstruktiv wirken soll. Wer nimmt sich schon die Zeit ? Twitter ist dafür ungeeignet, wie Trump hinlänglich bewiesen hat.
luciérnaga rebelde
24. Dezember 2017 @ 13:04
Spain is different, einmal mehr. Die Geschichte vom Bürgerkrieg 36-39 wurde nie aufgearbeitet. Franco starb in seinem Bett, und die nachher entstandene Verfassung wurde zu einem guten Teil von Franquisten redigiert. Der von Franco wieder eingesetzte König -ein absurdum- blieb und man sprach von demokratischer Monarchie. Das ganze System, Katalonien inbegriffen, ist sehr stark korrupt und noch immer von Franquisten unterwandert. Was Demokratie bedeutet weiss man nur dunkel, Daher diese Partido Popular in der Mehrheit. So what?
Der Reichtum des Baskenlandes stammt aus dem Handel mit schwarzem Elfenbein, die Katalanen sind Phönizier, d.h. gute Krämer. Beide wollen ihren relativen Reichtum nicht mit dem Rest von Spanien teilen.
Peter Nemschak
25. Dezember 2017 @ 12:51
Was angesichts Ihrer durchaus plausiblen Analyse verwundert, dass die EU beim Beitritt Spaniens sich mit der spanischen Verfassung als EU-wertekonform zufrieden gegeben hat. Was für Spanien gilt, gilt auch in anderer politischer Schattierung für die Länder Osteuropas. Laufen wir mit dem viel beschworenen Wertekatalog der EU nicht einer Schimäre nach, die vielleicht zum Gründungszeitpunkt der Gemeinschaft Realität war aber es längst nicht mehr ist? Vielleicht sollte man die liegen gebliebene Verfassungsdiskussion der EU wieder aufnehmen, um sich auf eine gemeinsame Basis angesichts der „Wertevielfalt“ zu verständigen.
Alfred Weidlich
24. Dezember 2017 @ 11:31
Wie das „demokratische“ Spanien mit seinen politischen Gefangenen zeigt, ist die Immunität von Abgeordneten eine unbedingte Notwendigkeit um den politischen Willen umzusetzen!
Baer
24. Dezember 2017 @ 07:55
Kann mir vielleicht jemand den Begriff Demokratie erklären,denn nach meinem Verständnis hat alles ,was in der derzeitigen Politik stattfindet aber auch nichts mit Demokratie zu tun.
Man muss sich das Recht nur so basteln,bis Alles andere zum Rechtsbruch wird.Demos =das Dorf,also Entscheidung im kleinen ist wahre Demokratie,und nicht die Kriminalisierung eines Volkswunsches durch Politiker,die selbst genug Dreck am Stecken haben (Rajoy lässt grüßen).
Peter Nemschak
23. Dezember 2017 @ 16:47
Können die Wähler einen Politiker reinwaschen, der einen Gesetzesbruch begangen hat? Das kann im Fall Kataloniens nur die spanische Regierung in Form einer Amnestie tun, nicht die EU. Sie kann bloß darauf drängen, dass die Streitparteien Verhandlungen bezüglich ihres zukünftigen Verhältnisses aufnehmen.
ebo
23. Dezember 2017 @ 16:53
Kann sich ein Politiker zur Wahl stellen, der einen Gesetzesbruch begangen hat? Normalerweise nicht, doch in Spanien war das möglich. Die EU sollte nun darüber wachen, dass das Ergebnis respektiert wird…
Peter Nemschak
23. Dezember 2017 @ 18:52
Aus der Sicht Puigdemonts war sein Verhalten legitimier Akt gegen die Tyrannei, aus Sicht Spaniens und der EU, welche die spanische Verfassung als “wertekonform” im Sinne der EU beim Beitritt Spaniens anerkannt hat, ein Rechtsbruch. Man wird sehen, ob das Ergebnis wieder in einen weiteren Rechtsbruch mündet.
Hartmut Lau
23. Dezember 2017 @ 14:54
Das EU Konstrukt ist eine Firmen – Holding. Alle Repraesentanten in dem EU Konstrukt sind keine Politiker, sondern Firmenmitarbeiter. Deren Services = Firmenregeln.
Das nennt man dann unterm Strich: Taeuschung im Recht – Verkehr!
Dieser Sachverhalt ist in Europa, allen voran in Deutschland, Normalitaet!