Krisen-Gipfel ohne Plan – Was Heil für 2020 plant

Keine feste Tagesordnung, keine Beschlussvorlage, keine Planungssicherheit: Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel müssen die 28 Staats- und Regierungschefs improvisieren.

„Einen solchen Gipfel hat es noch nie gegeben“, sagt ein ranghoher Diplomat. Kurz vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU, der für Halloween (31.10.) angesetzt ist, versagt die Regie von Ratspräsident Donald Tusk.

Schuld daran ist der britische Premier Boris Johnson, der kurz vor Toresschluss einen „Deal“ zum Brexit durchpauken will. Die Verhandlungen dauerten am Mittwochabend noch an.

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier mußte ein Treffen mit den EU-Botschaftern in Brüssel immer wieder verschieben, Informationen sickerten nur tröpfchenweise durch.

24 Stunden vor Beginn des Gipfels wußten nicht einmal die sonst gut informierten Diplomaten, wie es weitergeht. Der Optimismus des Morgens wich der Ernüchterung am Abend.

Klar ist nur, dass der Streit den Gipfel in Atem halten wird. Selbst eine Einigung in letzter Minute ist noch keine Garantie dafür, dass der Brexit Ende Oktober wirklich kommt.

Das letzte Wort will das Unterhaus haben, das am Samstag in London tagt. Danach könnte noch ein weiterer EU-Gipfel nötig sein – um den Deal zu besiegeln oder eine Verlängerung zu beschließen.

Weniger turbulent dürfte es bei der Debatte über die Türkei und Syrien zugehen. Die EU will ihre Forderung nach einem Ende der türkischen Offensive in Syrien bekräftigen, aber keine Sanktionen verhängen.

Schließlich will man es sich nicht mit Präsident Recep Erdogan verscherzen. Der Sultan wird noch für den umstrittenen Flüchtlingspakt gebraucht, den Merkel 2016 geschlossen hatte.

Ungeachtet des Krieges möchte Merkel diesen Deal, der den Fluchtweg über die Ägäis nach Griechenland versperrt, möglichst geräuschlos verlängern. Darüber müsse man schon beim Gipfel sprechen, heißt es in Berlin.

Es geht um eine „politische Diskussion“ – und um mehr Geld für Ankara. Während die USA die Daumenschrauben anziehen, will Merkel die Brieftasche zücken…

Watchlist

  • Können die USA der Türkei Einhalt gebieten? US-Vizepräsident Pence will in Ankara versuchen, Sultan Erdogan zum Stopp der Syrien-Offensive zu bewegen. Bis zuletzt war unklar, ob Erdogan den Amerikaner überhaupt empfangen würde. Bei einem Parteitag drohte er, die Türkei werde sich niemals aus den besetzten Gebieten zurückziehen. – Die EU spielt auch bei diesem Vermittlungsversuch keine Rolle…

Was fehlt

  • Die ehrgeizigen Pläne von Arbeitsminister Heil für den deutschen EU-Vorsitz 2020. Der SPD-Politiker will gemeinsam mit Kommissionschefin von der Leyen einen EU-weiten Rahmen für Mindestlöhne setzen. Außerdem will er sich um die digitale “Plattform-Ökonomie” und um nachhaltige Wertschöpfungs-Ketten kümmern. Gemeint ist ein fairer Handel; ob das auch das Mercosur-Abkommen betrifft, blieb offen…