Kriegs-Gipfel in Kiew – und Kampfansage an Putin
Zum ersten Mal ist fast die gesamte EU-Kommission nach Kiew und damit in den Ukraine-Krieg gereist. Begleitet von 15 Kommissaren, traf sich Behördenchefin von der Leyen mit Präsident Selenskyj, um den für Freitag geplanten ersten EU-Gipfel in der ukrainischen Hauptstadt vorzubereiten.
Die Reise solle die „unbegrenzte Solidarität“ mit der Ukraine zeigen, hieß es. Zur Sicherheit wurden die Reisedaten bis zuletzt geheim gehalten. Zudem wurde Kommissionsvize Frans Timmermans gebeten, in Brüssel die Stellung zu halten – für alle Fälle. Falls seiner Chefin etwas zustoßen sollte, könnte Timmermans als „designated Survivor“ die Amtsgeschäfte fortführen.
Bei ihrer Ankunft in Kiew kündigte von der Leyen neue Sanktionen gegen Russland an. Bis zum 24. Februar, dem Jahrestag der russischen Invasion, „wollen wir ein zehntes Sanktionspaket fertigstellen“. Außerdem will sie ein „internationales Zentrum für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression in der Ukraine“ einrichten. „Der Täter muss zur Rechenschaft gezogen werden“, betonte sie.
Es war eine Kampfansage an Kremlchef Wladimir Putin und seine Schergen. Putin muß zahlen – das hat von der Leyen schon oft gesagt. Allerdings tut sich die EU schwer damit, den großen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Streit über neue Sanktionen
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Während von der Leyen noch ihre Pressekonferenz in Kiew abhielt, vertagten die EU-Botschafter in Brüssel alle Entscheidungen: über wichtige Fragen gibt es Streit.
Die geplanten neuen Russland-Sanktionen sind zwischen den 27 EU-Staaten ebenso umstritten wie ein Sondertribunal für Kriegsverbrecher. Auch die Beschlagnahmung russischen Vermögens – ein weiteres Thema der Gespräche in Kiew – erweist sich als schwierig.
Von der Leyen würde das Vermögen gern zu Geld machen und damit den Wiederaufbau der Ukraine finanzieren. Doch bisher gibt es nicht einmal eine Rechtsgrundlage, Juristen warnen vor Schnellschüssen.
Kein Datum für den Beitritt
Und wie sieht es mit dem schon 2022 versprochenen Beitritt der Ukraine aus? „Wir haben den ehrgeizigen Plan, der Europäischen Union innerhalb der nächsten beiden Jahre beizutreten“, sagte der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal wenige Tage vor dem hohen Besuch aus Brüssel. Doch von der Leyen muß ihn vertrösten. Ein konkretes Beitritts-Datum kann sie nicht nennen.
Erst im Oktober kommt der nächste Fortschrittsbericht, in dem die EU-Kommission die Erfolge und Defizite der Ukraine auf dem Weg in die EU auflistet. Vorher geht gar nichts. Damit es zu Beitrittsverhandlungen kommt, müssen zudem noch alle 27 EU-Staaten grünes Licht geben.
Angesichts des wieder eskalierenden Krieges und der zahlreichen, gerade erst aufgedeckten Korruptionsskandale zeichnet sich keine schnelle Entscheidung in Brüssel ab.
EU schult auch Panzerfahrer
Daran dürfte auch der EU-Ukraine-Gipfel nichts ändern, zu dem am Freitag auch Ratspräsident Charles Michel nach Kiew reist. Michel hat der Ukraine zwar jede erdenkliche Hilfe versprochen. „Die Ukraine ist die EU und die EU ist die Ukraine“, sagte der Belgier vor seiner Abreise. Doch mit Inhalt hat er dieses Versprechen nicht gefüllt; beim Gipfel werden keine großen Entscheidungen erwartet.
Mit leeren Händen ist die EU allerdings auch nicht gekommen. Der EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte zu, weitere 15.000 ukrainische Soldaten auszubilden. EU-Experten wollen nun sogar Kampfpanzer-Besatzungen schulen. Die Leopard-2-Panzer, die Deutschland und Polen liefern wollen, sollen nicht nutzlos herumstehen.
„Der Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden“, hat Borrell schon kurz nach Beginn der Kampfhandlungen verkündet. Nun macht er Ernst. Für Diplomatie – einst eine Kernkompetenz der EU – bleibt dabei keine Zeit. Beim Gipfel am Freitag stehen Verhandlungen mit Russland nicht einmal auf der Tagesordnung. …
Mehr zum Ukraine-Krieg hier
KK
4. Februar 2023 @ 02:48
@ MarMo:
„Frau vdL könnte gerne mit den weiteren EU-Volltrotteln (Charles Michel, Josep Borrell, usw.) in der Ukraine bleiben, wenn die Ukraine deren EU ist. Meine Verständnis von EU war ein anderes. “
Völlig d’accord!
Mein Verständnis war auch ein völlig anderes, weswegen ich jahrzehntelang ein wirklich überzeugter Anhänger des Modells gewesen bin.
Seit der letzten EU-Wahl, Gestalten wie den von Ihnen aufgezählten (und anderen) und letztlich der vollkommene Verrat an dem eigentlichen Grund für diesen Staatenbund – nämlich nach Jahrhunderten endlich mal ein friedliches EUropa – und Werten wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, von denen die von den Vorgeannten glorifizierte Ukraine ungefähr so weit entfernt ist wie der Kuyper-Gürtel von der Sonne, haben mich völlig konsterniert.
Diese EU ist das Papier nicht mehr wert, auf dem der Lissabon-Vertrag oder die Römischen Verträge einst unterzeichnet wurden!
Adenauer, de Gaulle, Kohl, Mitterand, Hallstein, Delors und viele andere, die an dem Projekt EUropa gearbeitet haben, würden in ihren Gräbern rotieren, wenn sie wüssten, was die jüngste Generation ihrer Nachfolger aus ihrem Projekt für eine Jauchegrube gemacht hat.
MarMo
3. Februar 2023 @ 23:04
Frau vdL könnte gerne mit den weiteren EU-Volltrotteln (Charles Michel, Josep Borrell, usw.) in der Ukraine bleiben, wenn die Ukraine deren EU ist. Meine Verständnis von EU war ein anderes.
Ein internationales Zentrum für die Verfolgung der Verbrechen der Aggression in der Ukraine will die blonde Betonbraut also einrichten. Vielleicht sollten unsere empörten Moralapostel in Deutschland und der EU erstmal über die von ihnen begangenen Verbrechen der Aggression denken. Aber diesbezüglich herrscht Amnesie.
Und weitere Sanktionspakete werden doch weiterhin wie ein Bumerang die Europäerinnen und Europäer treffen.
Ganz zu schweigen von der Ankündigung, ukrainische Soldaten zu schulen.
Dass auch nur irgendeiner ernsthaft darüber nachdenkt, die Ukraine in die EU aufzunehmen, …
Der Wahnsinn scheint keine Pause zu kennen, es geht immer irrer.
KK
3. Februar 2023 @ 14:35
@ ebo:
Sind eigentlich schon Pläne dahingehend bekannt, dass der Sitz aller EU-Institutionen nach dem Beitritt der Ukraine von Brüssel/Strassburg nach Kiew verlegt werden sollen?
Unseren Politikern scheint es ja dort selbst in Kriegszeiten, in denen der böse Russe mit Bomben schmeisst, besser zu gefallen als in Belgien, so wie sich dort die Klinken in die Hände gegeben werden…
ebo
3. Februar 2023 @ 15:42
Nicht dass ich wüsste. Zunächst will das Europaparlament dafür sorgen, dass Kiew nach Brüssel kommt – mit ukrainischen Vertretern
KK
3. Februar 2023 @ 14:15
„Falls seiner Chefin etwas zustoßen sollte, könnte Timmermans als „designated Survivor“ die Amtsgeschäfte fortführen. “
Ich drück die Daumen und bete den Rosenkranz!
KK
3. Februar 2023 @ 13:17
„Von der Leyen würde das Vermögen gern zu Geld machen und damit den Wiederaufbau der Ukraine finanzieren.“
Und daran wird sich ja Blackrock dumm und dämlich verdienen, nicht wahr. Noch so US-Kumpels von ihr wie schon bei McKinsey und Pfizer!
Thomas Damrau
3. Februar 2023 @ 09:15
Uiiiii, jetzt wird es aber pathetisch: Frau VdL sieht in Kiew dem (Heldeninnen-)Tod ins Auge. Um im Falle eines Falles das nötige hohe Pathos-Level zu gewährleisten, könnte man ja auf historische Vorlagen zurückgreifen: „Aus Kiew wird gemeldet, dass unsere Kommissionspräsidentin heute Nachmittag in einem Konferenzsaal bis zum letzten Atemzug gegen Russland kämpfend für Europa gefallen ist.“ (Ich bin mir bewusst, dass dieser historische Bezug von einigen als geschmacklos empfunden wird – aber die Hohlheit der aktuellen Vorgänge verlangt nach Zynismus.)
Aber die Nachfolge ist ja Gott-sei-Dank geregelt: „Am 2. Februar hat die Präsidentin Kommissar Timmermans zu ihrem Nachfolger ernannt. Der Kommissar und Nachfolger der Präsidentin spricht nun …“ Die EU wird also nicht unregiert dastehen. Das beruhigt mich.
Stichwort Pathos: Ich liebe Formulierungen, die das Attribut „unbegrenzt“ enthalten, z.B. „unbegrenztes Wirtschaftswachstum“. In der Realtität ist „Solidarität“ (wie Wirtschaftswachstum) durch die verfügbaren Ressourcen begrenzt: Geld, Waffen, Geduld der Bevölkerung …
Aber Frau VdL meint offensichtlich, sie könne durch das Verschießen von Worthülsen den einen oder anderen russischen Panzer in die Luf jagen.
Ähnlich glaubt Selenskjy das stete „Wir sind eigentlich schon seit dem Mittelalter Teil Europas und haben auch brav unser Zimmer aufgeräumt: Daher möchten wir jetzt endlich …“ werde schon irgendwann zu einem „Dann lass sie halt.“ führen. Mal sehen, wie lange der Widerstand der EU-Kommission anhält.
european
3. Februar 2023 @ 08:15
Solche Artikel lassen mich sprachlos zurück.
Das hat nichts mit Ihrer Schreibkunst zu tun, ebo, sondern es ist die Idiotie, die aus dem Inhalt herausspringt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.
Völlig losgelöst….
Kann natürlich auch daran liegen, dass das Fräulein Rottenmeier der EU keine Ahnung hat, wie sie die Probleme der EU lösen soll. Da kommt so ein Ablenkungsmanöver mit Märtyrergeschmack gerade recht. Oh wei….