“Konzerne kapern die EU” – “Timmermans gewinnt TV-Duell”
Um das Urheberrecht tobte eine wahre Lobbyschlacht: Google gegen Springer, YouTube gegen Bertelsmann. Kein Einzelfall, wie eine neue Studie zeigt: Die großen Konzerne haben die EU-Gesetzgebung allzu oft im Griff – trotz Lobby-Register und Transparenz-Versprechen.
Die Lobbyisten der Großunternehmen seien weiter im Vorteil, heißt es in einer Studie, die der gemeinnützige Verein „LobbyControl“ am Montag in Berlin vorgelegt hat.Von den 25.000 Lobbyisten mit einem Budget von 1,5 Milliarden Euro auf EU-Ebene verträten zwei Drittel die Interessen von Unternehmen, kritisierte Verbandsgeschäftsführerin Imke Dierßen.
“Teilweise können sie Gesetze und politische Prozesse regelrecht kapern“. Die EU müsse daher mehr für Unabhängigkeit und Transparenz tun.
Dabei gilt Brüssel mit seinem Lobbyregister und speziellen Ethikregeln als vorbildlich. So dürfen sich Mitglieder der EU-Kommission und ihre Mitarbeiter seit Ende 2014 nur noch mit Organisationen oder Konzernen treffen, die in einem freiwilligen Transparenzregister stehen. Diese Treffen müssen nun auch veröffentlicht werden.
Das habe das EU-Register gestärkt, befinden die Autoren der Studie. LobbyControl fordert aber, dass die Registrierung rechtlich verpflichtend wird. Außerdem solle sich auch der Rat, also die Vertretung der 28 EU-Staaten, um mehr Transparenz bemühen. Bisher bleiben Lobby-Treffen mit Ministern unter dem Deckel.
Auch Deutschland ist in Sachen Transparenz alles andere als vorbildlich, kritisiert LobbyControl. Die Bundesregierung habe wirksame Abgastests oder bessere Regeln beim Kampf gegen Steuervermeidung verwässert. Auch andere Staaten wie die Niederlande, Irland oder Luxemburg schützten „ihre“ Konzerne.
Neben der mangelnden Transparenz der EU-Gesetzgebung bemängeln die Experten von LobbyControl auch Interessenkonflikte und Seitenwechsel. Zwar seien die Regeln unter Kommissionschef Jean-Claude Juncker „entscheidend“ verbessert worden – als Reaktion auf den Goldman-Sachs-Job seines Amtsvorgängers José Barroso.
Dennoch kommt es immer wieder zu Konflikten – wie zuletzt bei dem ehemaligen Generalsekretär der EU-Kommission Alexander Italianer. Der Niederländer war vorzeitig aus seinem Amt ausgeschieden, um Platz für den umstrittenen deutschen Juristen Martin Selmayr zu machen, den Juncker um jeden Preis durchboxen wollte.
Nun arbeitet der Mann mit dem unbezahlbaren EU-Insiderwissen als „Senior International Policy Adviser“ für die amerikanische Lobbyfirma Arnold & Porter in Brüssel…
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Watchlist
- Ist das mit Kanada geschlossene CETA-Abkommen mit EU-Recht vereinbar? Darüber befindet am Dienstag der EuGH in Luxemburg. Hintergrund des EuGH-Verfahrens ist ein Antrag Belgiens. Vor allem Politiker der Region Wallonie haben Zweifel, ob das Streitbeilegungssystem im umstrittenen Freihandelsabkommen mit EU-Recht vereinbar ist. Ein wichtiger Gutachter am EuGH sah da zuletzt allerdings keine Probleme…
Was fehlt
- Die so genannte Maastricht-Debatte mit den Spitzenkandidaten für die Europawahl. Sie fand am Montagabend in Maastricht teil – allerdings ohne den konservativen Frontrunner Manfred Weber (CSU). Angeblich gab es Terminprobleme. Pech für ihn: Sein sozialdemokratischer Herausforderer Frans Timmermans nutzte die Gelegenheit, um für ein rot-grünes Bündnis zu werben und Weber vergessen zu machen. Nach einer Zuschauerbefragung entschied er die Debatte für sich, 43% sahen ihn als “Gewinner”.
Siehe auch “Ist Genosse Trend zurück?”
Mehr zur Europawahl hier, aktuelle Wahlumfragen und Projektionen hier
Holly01
30. April 2019 @ 09:47
Ich habe international (natürlich) keinen Überblick.
In Deutschland und der EU sind aber in den letzten 10 Jahren keine Gesetze verabschiedet und in Kraft gesetzt worden, die nicht komplett mit der Lobby abgesprochen und von der Lobby abgenickt wurden.
Beim ganz ganz überwiegenden Teil war das wie bei H4 immer wieder beschrieben wird.
Ein Konzern entwirft das Gesetz.
Der Konzern schiebt das der Politik unter.
Die Politik kolportiert eine riesen Idee.
Die Gesetzgebung treibt das Gesetz im Eilverfahren durch die Institutionen.
Die gesellschaftliche Meinungsbildung findet erst nach der Verabschiedung einen (nicht von Lobby Vorgaben geprägten) Raum, in dem festgestellt werden kann, welche Folgen sich ergeben (werden).
Aber da hat der Konzern schon lange alles in trockenen Tüchern.
Wurde die Steuersenkung für das Hotel- und Gaststättengewerbe zurück genommen?
Nein?
Aber die FDP war doch eine Legislaturperiode aus dem Bundestag raus.
Trotzdem nicht?
Nun, so zeigt die Politik ihre “Zuverlässigkeit” an.
Da wird nicht zurück genommen, auch kein H4, auch nicht Jahrzehnte später.
Sonst würden die Konzerne ja nicht mehr zahlen.
Wo sollen eremitierte Politiker denn dann hin? Arbeiten (ROFL)?
vlg
Baer
30. April 2019 @ 08:38
Was hat Juncker nochmal verbessert? Den Alkoholkonsum möglicherweise,die Korruption ganz sicher, genau so wie Vertrags-und Gesetzesbrüche.
Ja, wenn es ernst wird muss man lügen.
Eine tolle Bilanz, und eine vertrauensbildende Maßnahme für die EU.
Es gibt viele Träumer in der EU, aber die werden alle ein böses Erwachen erleben.
Leider trifft es dann wahrscheinlich wieder die Falschen, aber diesmal wird alles anders .