Konjunkturprogramm für EU-Gegner

Das Gezerre um den Brexit nimmt kein Ende. London und Brüssel bringen nun neue Verzögerungen und eine Teilnahme an der Europawahl ins Gespräch. Das wäre ein Konjunkturprogramm für die EU-Gegner auf beiden Seiten des Kanals. 

Während die britische Premierministerin Theresa May eine Verlängerung bis 30. Juni beantragen will, plädiert EU-Ratspräsident Donald Tusk für eine “flexible extension” um bis zu zwölf Monate. Damit prescht Tusk mal wieder vor – die Entscheidung fällt erst beim Brexit-Sondergipfel am 10. April.

Aber egal – Tusk spielt ja schon lange auf Zeit. Der polnische EU-Politiker würde den Brexit am liebsten auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben. Um die Probleme, die das schafft, kümmert er sich nicht. Auch die Europawahl Ende Mai scheint Tusk völlig egal.

Dabei wäre eine “Flextension” ein Konjunkturprogramm für die EU-Gegner in UK und auf dem Kontinent. Die Briten müßten dann neue Abgeordnete für das Europaparlament wählen, dem sie eigentlich den Rücken kehren wollten.

Und die EU-Bürger müßten Ende Mai abstimmen, ohne zu wissen, ob, wann und wie Großbritannien aus der EU ausscheidet. Die zentrale Frage der Europapolitik der letzten Jahre bliebe ungelöst, die Perspektive völlig unklar. Die Europawahl würde zur Farce – wie ich schon öfter anmerkte.

Die Brexiters würden dieses Szenario nutzen, um “Verrat” zu schreien. Und natürlich würden auch Meuthen, Salvini und Co. das absehbare Brexit-Chaos nutzen, um die EU vorzuführen. Aus diesem Club kann man nicht einmal vernünftig austreten, heißt es schon jetzt…

Wer mir nicht glaubt, lese diesen Kommentar von Barbara Serra, Leiterin der Londoner Redaktion von Al Jazeera, in Huffington Post Italia (Quelle: Eurotopics):

„Die Prämisse war, nicht an der Wahl teilzunehmen. Doch nun könnte eine Verlängerung für Großbritannien genau das bedeuten. … Das wäre eine Katastrophe für beide Seiten. Nigel Farage, der geistige Vater des Brexit, hat bereits angekündigt, er werde die Massen mobilisieren und Dutzende von wütenden Brexit-Anhängern in das EU-Parlament schicken. Da man ohnehin mit einer Welle von Populisten, Nationalisten und Souveränisten aus ganz Europa rechnen muss, ist die Vorstellung mehr als beunruhigend, dass sich ein Haufen verbitterter britischer Abgeordneter zu ihnen gesellt.“

Siehe auch “Brexit-Chaos: Mehrheit für No Deal”