Plötzlich geht es doch ohne Briten

Die neue EU-Kommission soll nun doch ohne Briten auskommen können. Die 27 EU-Staaten haben grünes Licht für den Start am 1. Dezember gegeben – sie gehen ein selbst verschuldetes Risiko ein.

Verstehe einer Frau von der Leyen: Erst fordert sie einen britischen Kommissar für ihr Team an, obwohl die EU gerade erst einen neuen Austrittsvertrag mit Premier Johnson ausgehandelt hat.

Denn leitet sie sogar ein Vertragsverletzungs-Verfahren ein, um Johnson zu zwingen, einen Mann und/oder eine Frau für Brüssel zu nominieren – wohl wissend, dass das Land im Wahlkampf ist.

Nun ist die Frist für dieses Verfahren abgelaufen. Johnson ließ das EU-Ultimatum am vergangenen Freitag verstreichen, ohne einen Kandidaten für die neue Kommission zu nominieren.

Damit hat von der Leyen ein Problem, sollte man meinen. Doch nur wenige Stunden später nickten die Botschafter der 27 EU-Länder ihr Team ab – ohne eine/n britische/n Vertreter/in.

Man habe alles getan, um London zur Erfüllung seiner EU-Pflichten zu zwingen, heißt es zur Begründung in Brüssel. Der juristische Dienst der Kommission habe dieses Vorgehen gedeckt.

Dennoch gehen von der Leyen und ihr Team ein unwägbares Risiko ein. Denn nun könnte es Klagen gegen die “nicht ordnungsgemäß zusammengesetzte” Kommission geben.

Das Rechtsrisiko liege “nicht bei Null”, heißt es in der (alten) EU-Kommission. Spätestens, wenn die neue EU-Behörde über eine Staatsbeihilfe entscheiden muss, macht sie sich angreifbar.

Bleibt die Frage, warum von der Leyen und die EU-27 dieses Risiko eingehen. Warum haben sie, als der neue Brexit-Deal geschlossen wurde, nicht auch beschlossen, auf einen britischen Kommissar zu verzichten?

Und wieso hat sich von der Leyen nicht auf den Lissabon-Vertrag berufen, der ohnehin eine Verkleinerung der aufgeblähten Kommission vorsah?

Und was macht das Europaparlament, das im Mai noch 73 britische Abgeordnete gewählt hatte? Am Mittwoch will es die neue Kommission absegnen – auch ohne Briten.

Wie will man das den Bürgern der EU noch erklären?

Mehr zum Brexit hier

Watchlist

  • Am Montag zieht die EU-Karawane wieder zur Plenartagung nach Straßburg. Am Abend diskutieren die Abgeordneten über die Klimapolitik und den “Klimanotstand”, der noch vor dem Start des Teams von der Leyen ausgerufen werden soll. Was ein solcher “Notstand” konkret bedeutet, war bis zuletzt umstritten – die Konservativen sind sowieso dagegen, die Grünen fordern radikale Maßnahmen. Mehr hier

Was fehlt

  • Corbyn will bei zweitem Brexit-Referendum „neutral“ bleiben – BBC
  • Erstmals neuer Mechanismus zur Verteilung von Bootsflüchtlingen in EU aktiviert – Die Welt
  • Luxemburgs Außenminister: EU sollte Palästina als Staat anerkennen – Tagesspiegel
  • Lettland verbietet neun russische Fernsehsender – Die Presse
  • Europäische Union will Nutzung von Fluggastdaten ausweiten – Netzpolitik

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