Kollaps beim Brexit – Krise bei den Flüchtlingen

Weltoffen, liberal und unbürokratisch – so gibt sich die EU gern. Doch wenn es um den Austritt geht, ist davon nichts mehr zu sehen. Drei Wochen vor dem nächsten EU-Gipfel wird der Brexit zur „Mission impossible“.

Die Nervosität wächst – auf beiden Seiten. In London muss Premierministerin May am Dienstag und Mittwoch eine heikle Machtprobe bestehen. Sie will 14 von 15 Zusätzen zum EU-Austrittsgesetz rückgängig machen, die das Oberhaus in den vergangenen Wochen angefügt hatte. Wenn ihr das nicht gelingt, könnte dies zum Fall der Regierung führen.

Aber auch in Brüssel macht sich Unruhe breit. Denn in der entscheidenden Irland-Frage kommt man keinen Millimeter voran. Schon der EU-Gipfel im Dezember wäre beinahe am Streit um die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland gescheitert. Ende Juni droht das nächste Debakel.

Der britische Außenminister B. Johnson hat bereits vor einem „Brexit-Kollaps“ gewarnt. Er rechne damit, dass May in den Verhandlungen mit der EU bald deutlich kämpferischer auftreten werde, wird Johnson von der britischen Nachrichten-Seite Buzz-Feed zitiert. Als Vorbild nannte er US-Präsident Trump – ausgerechnet.

Er höre bei Johnson gelegentlich eine „Nostalgie“ heraus, konterte EU-Verhandlungsführer Barnier. London müsse sich aber entscheiden; nach dem Brexit könne Großbritannien nicht alle Vorteile der EU behalten. Es sei auch nicht redlich, Brüssel für mögliche Nachteile verantwortlich zu machen.

„Wir lassen uns auf dieses Blame game nicht ein“, warnte Barnier, der als moderater und besonnener Politiker gilt. Johnson müsse endlich zur Vernunft kommen und zu den Folgen seines Handelns stehen. Die Briten hätten sich aus freien Stücken entschieden, die EU zu verlassen, und könnten danach nicht mehr alle Vorteile genießen.

Auch die Geduld mit May geht in Brüssel langsam zur Neige. Wenn sie glaube, sie könne die noch offenen Details in einer langen Gipfelnacht mit den Staats- und Regierungschefs aushandeln, so täusche sie sich, sagte ein EU-Diplomat. Einen „High-noon“ werde es nicht geben, Brüssel sei auf alles vorbereitet.

Hinter den Kulissen bereitet man sich schon auf den „Brexit-Kollaps“ vor – im Sommer könnte es zum finalen Crash kommen…

WATCHLIST:

  • Die neue Flüchtlingskrise – diesmal zwischen Italien, Malta und Spanien. Der italienische Innenminister Salvini von der rechtspopulistischen Lega hatte angekündigt, keine Flüchtlingsschiffe mehr in die Häfen seines Landes zu lassen. Unter dem Hashtag „Wir schließen die Häfen“ kritisierte er, Malta nehme keine Flüchtlinge auf, Frankreich weise Migranten an der Grenze zurück, Spanien verteidige seine Grenzen mit Waffen. Am Ende erbarmte sich Spanien dann doch der „Aquarius“ und seiner 629 Flüchtlinge. Doch Salvini hat einen Präzedenzfall geschaffen – und die EU schaut zu…

WAS FEHLT:

  • Die neue Wahlwerbung der EVP. Der konservative Club geht jetzt mit kostenlosen Interrail-Tickets auf Stimmenfang. „Are you an 18 year-old European citizen who would like to get a sense of the beauty and diversity of our continent? From this Tuesday 12 June at 12.00 hrs until Tuesday 26 June at 12.00 hrs you can apply for one of the 15,000 free travel passes that will be distributed in the #DiscoverEU project and you will be able to travel across Europe and discover your European neighbours.“ Eigentlich war das ein Vorschlag der EU-Kommission. Aber die Grenzen sind fließend…

RÜCKBLICK:

  • Wollt ihr den absoluten Macron? Das fragten wir vor einem Jahr. Auszug: „Die Nationalisten verlieren, die Pro-Europäer gewinnen. So interpretiert man in Brüssel die letzten Wahlen. Britanniens May gilt als Loserin, Frankreichs Macron als Hoffnungsträger. Doch was, wenn Macron zu stark wird – und alle anderen Politiker und Parteien überrennt?“ Mehr hier