Kippt Macrons Kandidatin? – Erdogan führt EU & Nato vor

Das Europaparlament fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Kandidatin für Brüssel, Sylvie Goulard, heraus. Am Donnerstag könnte es zum Showdown kommen. Die neue EUKommission wankt.

Dass es eine schwere Geburt werden würde, war von Anfang an klar. Schon vor Beginn der Hearings hatte der Rechtsausschuss des Parlaments die Kandidaten aus Ungarn und Rumänien aus dem Rennen geworfen.

Laszlo Trocsanyi und Rovana Plumb scheiterten an undurchsichtigen Geschäften und am Verdacht auf Interessenkonflikte.

Es war der erste Rückschlag für von der Leyen – und ein Präzedenzfall. Bisher waren Kommissars-Anwärter nur wegen mangelnder Eignung durchgefallen. Nun reicht schon der Verdacht auf unsauberes Finanzgebaren.

Doch nicht alle Problemfälle wurden ausgeschlossen. Die Französin Sylvie Goulard durfte trotz zweier Affären zum Hearing antreten.

Das rächt sich nun. Ausgerechnet Goulard, die als leidenschaftliche Europäerin gilt, musste sich bohrende Fragen nach einem früheren Parlamentsassistenten und ihrer Tätigkeit für die Berggruen-Stiftung gefallen lassen.

Die Kandidatin des französischen Präsidenten Emmanuel Macron machte dabei keine gute Figur. Deshalb muss Goulard am Donnerstag zu einer zweiten Anhörung antreten. Es dürfte ein Kreuzverhör werden.

Die Abgeordneten wollen wissen, warum die liberale Politikerin wegen ihrer Affären als Verteidigungsministerin in Paris zurückgetreten war, für ihre Arbeit als Super-Kommissarin in Brüssel jedoch kein Problem sieht.

Goulard soll für den Binnenmarkt, die Rüstungsforschung, die Raumfahrt und audiovisuelle Medien zuständig sein. All dies sind Themen, die Macron besonders am Herzen liegen.

Das Arbeitsgebiet sei viel zu weit, meint dagegen der Chef der deutschen SPD-Gruppe im Europaparlament, Jens Geier. Kommissionschefin Ursula Von der Leyen müsse es zurechtstutzen.

Doch was, wenn die sich weigert – oder Goulard sogar durchfällt? Dann droht ein Eklat mit Frankreich. Bisher galt Macron als von der Leyens Schutzpatron – doch das könnte sich ändern…

Mein Tipp: Goulard kommt mit einem blauen Auge davon. Denn die Liberalen im Europaparlament werden noch gebraucht. Und eine schwache, verletzliche Kommission hat aus Sicht mancher MEP auch ihre Vorteile…

Siehe auch „Es läuft nicht rund für Leyens Truppe“

Watchlist

  • Was unternehmen EU und Nato gegen den türkischen Einmarsch in Syrien? Am Mittwoch hat Sultan Erdogan seine „Partner“ und „Alliierten“ gnadenlos vorgeführt. Er ließ alle Appelle aus Brüssel an sich abprallen, die Offensive zu stoppen – und bombardierte kurdische Stellungen, die bisher als Bollwerk gegen den „IS“ gedient hatten.
  • Die EU blamierte sich besonders. Sie wollte Erdogan schon Stunden vor dem Feldzug bremsen – doch eine fertig vorbereitete Erklärung scheiterte am Veto Ungarns. Der EU-Appell kam daher zu spät. Derweil vermeldete die Nato, dass man sich gut mit EU-Kommissar King über „Cybersecurity“ unterhalten habe. Zur Türkei – kein Wort!

Siehe auch „Warum die Türkei zur Gefahr wird“ und „Was heißt hier geopolitisch?“

Was fehlt

  • Der Appell der EU-Kommission an Deutschland und Holland, mehr zu investieren. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte, ein stärkerer Einsatz der beiden Länder mit Haushaltsüberschüssen sei in ihrem eigenen Interesse und dem der ganzen Euro-Zone, um die drohende Rezession abzuwenden. Frankreich und Italien stellten sich hinter ihn.
  • Doch Finanzminister Olaf Scholz blockte den Vorstoß ab. Deutschland betreibe bereits eine sehr expansive Finanzpolitik. Scholz verwies auch auf das geplante Eurozonen-Budget. Allerdings hat es immer noch kein Geld. Der Vorschlag reiche „bei weitem nicht“ aus, um den Euro wetterfest zu machen, kritisiert der grüne Finanzexperte Sven Giegold.

Siehe auch „Euro-Finanzminister einigen sich auf Budget ohne Geld“