Die Verteidigungsunion läuft aus dem Ruder

Offiziell geht es darum, die Kosten bei der Rüstung zu senken und die EU unabhängiger von den USA zu machen. Doch in der Praxis läuft die europäische Verteidigungsunion schon beim Start aus dem Ruder.

Die Rüstungslobby und die EU-Staaten setzten sich über alle Vereinbarungen hinweg, klagt der grüne Europaabgeordnete R. Bütikofer. Dabei würden auch rote Linien überschritten:

„Wir hatten durchgesetzt, dass völlig autonome Waffensysteme nicht mit EU-Mitteln gefördert werden dürfen, ebenso wenig wie Streumunition, Landminen und Brandwaffen. Dass das nun doch möglich wird, ist ein Skandal.“

Tatsächlich deutet sich ein Dammbruch an. Denn bisher wollte der Friedensnobelpreisträger EU mit Kriegswaffen nichts zu tun haben. Killerroboter und andere autonome Waffensysteme waren verpönt, eine EU-Förderung undenkbar.

Doch nun hat der Ministerrat – die Vertretung der 28 EU-Länder – alle Bedenken über Bord geworfen und die Abgeordneten überrumpelt. Bei einem Treffen der Botschafter wurden weit reichende Beschlüsse gefasst.

Der Rat will jetzt nicht nur die umstrittenen Killerroboter fördern, sondern sogar noch weiter gehen: Auf Druck aus Frankreich soll sogar eine Lizenz-Vergabe in nichteuropäische Länder ermöglicht werden. 

Die neuen, „intelligenten“ Waffen made in EU können damit leichter exportiert bzw. in Drittländern produziert werden. Das könne man nur als “Rüstungsexport-Förderung” interpretieren, so Bütikofer.

Selbstbedienung der “Experten”

Doch das ist nicht der einzige Bereich, in dem die “Verteidigungsunion” aus dem Ruder läuft. Auch die Zusammenarbeit mit dem militärisch-industriellen Komplex wirft Fragen auf.

Denn die Expertengruppen, die die EU-Kommission beraten sollen, tagen nicht öffentlich und sind nicht transparent. In einigen Fällen schanzen sich die angeblich unabhängigen Experten selbst Aufträge zu.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wer eigentlich für die “Verteidigungsunion” verantwortlich ist. Bisher sind mehrere EU-Kommissare beteiligt, aber auch die EU-Verteidigungsagentur EDA, die Staaten etc.

Gegen wen muss sich EUropa verteidigen?

Letztlich ist niemand da, der für Probleme zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Und bisher war auch noch niemand in der Lage, zu erklären, gegen wen sich die “Friedensmacht” EU eigentlich verteidigen muss.

Manches – wie die neuen, von der EU geförderten – Panzerstraßen weist in Richtung Russland. Anderes, wie die Killerroboter, eher auf ein Schlachtfeld im Nahen Osten oder in Afrika. Und natürlich rüstet die EU auch gegen “hybride Bedrohungen”.

Eine klare Strategie, nachvollziehbare steckt nicht dahinter. Und verlässliche demokratische Kontrolle scheint es auch nicht zu geben, wie der Coup bei den Killerrobotern zeigt…

Siehe auch “Alle Sicherungen durchgebrannt” und “Verbale Schlacht um Killerroboter” (taz)

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