Keine Steueroase: Scholz schont die Türkei
In der EU ist Streit über den Umgang mit Steueroasen entbrannt. Die 27 EU-Finanzminister konnten sich nicht auf eine neue „schwarze Liste“ von nichtkooperativen Staaten einigen; die Entscheidung wurde vertagt.
Davon profitiert vor allem die Türkei, die erneut mehr Zeit für Nachbesserungen bekommt. Auch Luxemburg kann aufatmen.
Die EU-Liste der Steuerparadiese war nach dem „LuxLeaks“-Skandal in Luxemburg aufgelegt worden. Sie wird normalerweise zweimal im Jahr aktualisiert – im Februar und im Oktober.
Derzeit umfasst sie zwölf Staaten, darunter Panama, Barbados, Fidschi oder die Seychellen. Nun sollte die Türkei hinzukommen, da sie im Dezember eine EU-Frist zum besseren Austausch von Steuerdaten ignoriert hatte.
Doch Deutschland und einige andere EU-Länder stoppten den Prozess – offenbar aus politischen Gründen. Sie wollen die Türkei schonen, um eine erneute Konfrontation wie im vergangenen Sommer und Herbst zu verhindern.
Damals wäre es fast zum Krieg zwischen der Türkei und Griechenland gekommen, die EU bereitete Sanktionen vor. Nun bemühen sich die Europäer dagegen um eine „positive Agenda“.
Vorangetrieben wird der neue, kooperative Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte 2016 das umstrittene Flüchtlingsabkommen mit Präsident Recep Erdogan geschlossen.
Nun will sie den Handel mit der Türkei ausweiten. Eine Einstufung des Landes als Steuerparadies hätte diese Ziele durchkreuzt. Deshalb wurde die brisante Frage kurzerhand von der Tagesordnung genommen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte sich zu den Hintergründen zunächst nicht äußern. Auch die EU-Kommission ging in Deckung. Denn der Konflikt ist brisant.
Für eine Nennung der Türkei hatten sich neben Griechenland und Zypern auch Frankreich, Österreich und Dänemark ausgesprochen. Diese Länder fordern seit langem eine härtere Linie gegen das Erdogan-Regime.
Weil man sich nicht einigen konnte, wurden der Türkei neue Fristen im Juni und September gesetzt, um die Verpflichtungen beim Austausch von Steuerinformationen zu erfüllen.
Politische Gefangene? Egal!
Diese Vorgabe soll am Mittwoch von den EU-Botschaftern bestätigt und dann formal am Rande des Außenministertreffens am Montag in Kraft gesetzt werden.
Bei demselben Außenrat stehen neue Sanktionen gegen Russland auf dem Programm. Ein einziger politischer Gefangener – Nawalny – reicht der EU, um hart zurückzuschlagen.
Wie viele politische Gefangene gibt es eigentlich in der Türkei? 10.000 oder noch mehr?
Siehe auch Nawalny: Rechtsstaat oder Regimewechsel?