Nach dem Brexit ist vor dem nächsten Deal – wenn es gut geht

Stell Dir vor, es ist Brexit, und keiner merkt was? Genau das dürfte in den nächsten Tagen und Wochen passieren. Doch die Ruhe täuscht – in Brüssel denkt man schon an den nächsten Deal.

Am Freitag wird Geschichte geschrieben. Um Mitternacht scheidet Großbritannien endgültig aus der EU aus, der 2016 eingeleitete Brexit wird doch noch Realität.

Damit endet eine 47-jährige, schwierige und zuletzt fast nur noch nervige Partnerschaft – die Scheidung ist unvermeidlich geworden. Aber was kommt danach?

Zunächst nicht viel. Großbritannien fällt nicht ins Leere, die EU bricht nicht (wie 2016 versprochen) zu neuen Ufern auf. Vielmehr herrscht „Business as usual“.

Möglich macht dies die im Austrittsvertrag vereinbarte Übergangsphase. Sie läuft bis Ende 2020 und sorgt dafür, dass Bürger und Unternehmen den Brexit kaum spüren.

Für Touristen ändert sich zunächst ebenso wenig wie für Geschäftsleute oder Studenten. Es wird auch keine großen Feiern geben.

In Brüssel will Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag eine Erklärung zur Zukunft der EU abgeben. In London wird Premier Boris Johnson eine Rede halten und eine Lightshow eröffnen. Das war’s.

Für die Öffentlichkeit ist der Brexit damit erledigt, jedenfalls bis Jahresende. Doch für die EU-Kommission geht die Arbeit jetzt erst richtig los.

Sie wurde von den 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten beauftragt, mit London bis zum 31. Dezember ein Abkommen abzuschließen, das Großbritannien so nah wie möglich an der EU hält.

Der dafür vorgesehene Zeitplan ist sehr ehrgeizig. Bereits am Montag will die EU-Kommission einen Plan für die Verhandlungen mit London vorlegen. Danach müssen die 27 EU-Staaten zustimmen und der Kommission ein formelles Mandat erteilen.

Verhandlungsführer Michel Barnier sagte, er wolle im Dreiwochen-Rhythmus vorgehen.
Eine Woche Vorbereitung, eine Woche intensiver Gespräche mit den Briten, eine Woche Nachbereitung – bis Oktober soll das so gehen.

Barnier will sich ein Thema nach dem anderen vornehmen. Fischerei, Handel sowie innere und äußere Sicherheit stehen ganz oben auf der To-do-Liste. Auch Dienstleistungen, Reisen und Verkehr werden wichtig.

Barniers Ziel ist es, bis zum EU-Gipfel im Oktober eine Einigung mit London zu erzielen. Das wäre gerade noch rechtzeitig, um den Deal bis Jahresende zu ratifizieren.

Allerdings ist die Zeit zu kurz, um ein umfassendes Partnerschaftsabkommen auszuarbeiten. In Brüssel hofft man daher, dass die Übergangsphase doch noch verlängert werden könnte.

Bisher hat Johnson das kategorisch ausgeschlossen. Aber bis Ende Juni hat er noch Zeit, um es sich anders zu überlegen.

Johnson habe schon oft seine Meinung geändert, auch diesmal könne er umschwenken, heißt es in Brüssel. Die Hoffnung stirbt zuletzt – auch nach dem Brexit.

Und wenn Johnson hart bleibt und es keinen Deal gibt? Dann droht der harte, ungeregelte Brexit – schon wieder.

Siehe auch “Wer erwischt den besten Start nach dem Brexit?”

Watchlist

Wie geht es nach dem Brexit weiter? Dazu wollen Kommissionschefin von der Leyen und Ratspräsident Michel am Freitag eine Erklärung abgeben. Die EU denkt bereits seit mehr als drei Jahren über mögliche Reformen oder einen “Neustart” nach – bisher ohne Erfolg. Ob VdL neue Ideen präsentiert? Es wäre eine Überraschung…

Was fehlt

  • Entwicklungspolitik: Geld geht in die Migrationsabwehr – taz
  • Brexit: EU’s Franco-German axis will stutter without the Brits, says Vestager – Politico
  • Flüchtlingspolitik: Griechenland plant “schwimmende Barrieren” – Tagesschau
  • EU-Parlament lehnt Kandidaten für Chefposten der Bankenaufsicht ab – Handelsblatt
  • Digitalpolitik: EU-Kommission will gemeinsamen Binnenmarkt für Daten schaffen – t3n, mehr dazu hier